Sie haben für sich und Ihre Familie eine 14tägige Pauschalreise nach Tunesien gebucht.
Allerdings hatte Ihr Sohn 5 Tage vor Abflug einen Unfall beim Fußball und brach sich die Nase. Zunächst sollte diese nicht operiert werden. Allerdings wurden bei der Nachuntersuchung Komplikationen festgestellt, wonach eine Operation doch notwendig geworden ist.
Dadurch konnten Sie die Reise leider nicht wahrnehmen und stornierten diese. Die Stornierungskosten in Höhe von 2894 EUR forderten Sie von Ihrer Reiserücktrittsversicherung. Allerdings bezahlte diese Ihnen nur 1670,24 EUR, da Sie die Reise schon am Tag des Unfalls, also auch am ersten Besuch im Krankenhaus hätten stornieren müssen. Außerdem ist in den AGB noch eine Selbstbeteiligung von 20% verankert. Sie fragen sich nun, ob das zulässig ist oder Ihnen die gesamte Erstattung zusteht.
Sie haben also zwei konkrete Fragen:
1. Handelt es sich bei einer operativen Maßnahme bei einem Nasenbeinbruch um eine unerwartete Erkrankung, auch wenn die Notwendigkeit einer Operation erst später festgestellt wurde?
2. Ist eine Selbstbeteiligung von 20 % in den AGB zulässig?
Zunächst einmal dazu, wann genau eine unerwartete Erkrankung vorliegt. Denn eine Erkrankung ist nur dann ein Leistungsfall, wenn es eine unerwartete Erkrankung ist. Dazu folgende Urteile:
OLG Koblenz, Urt. v. 22.01.2010, Az: 10 U 613/09 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 10 U 613/09 reise-recht-wikI" bei Google eingeben)
Eine unerwartete Erkrankung im Sinne einer Reise-Rücktrittskosten-Versicherung ist dann unerwartet, wenn der Versicherte subjektiv nicht mit dem Eintritt der Erkankung rechnen musste.
AG Kusel, Urt. v. 20.11.2013, Az: 2 C 335/13 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 2 C 335/13 reise-recht-wikI" bei Google eingeben)
Eine unerwartet schwere Erkrankung im Hinblick auf eine Reiserücktrittsversicherung liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses nicht mit einer Erkrankung zu rechnen ist.
Sind die Symptome bereits vorhanden und ist eine Erkrankung absehbar zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses, so ist diese nicht als unerwartet anzusehen.
Nun stellt sich die Frage, ob eine Operation bei einem Nasenbeinbruch eine solche darstellt. Dazu folgendes Urteil:
AG München, Urt. v. 11.09.2008, Az: 275 C 9001/08 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 275 C 9001/08 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Kläger buchte für sich und seine Familie einen Urlaub auf der tunesischen Insel Djerba für den Zeitraum vom 24.09.2007 bis zum 08.10.2007. Zusätzlich schloss er eine Reiserücktrittsversicherung ab. Am 19.09., also 5 Tage vor Reiseantritt, erlitt sein 11-jähriger Sohn eine Nasenbeinfraktur. Als dessen Folge wurde am Tag des Reiseantritts sein Nasenbein operativ begradigt. Unmittelbar vor Reiseantritt stornierte der Kläger daher die Reise und forderte die Versicherungsgesellschaft zur Zahlung des Reisepreises zzgl. der Stornierungsgebühren auf. Die Versicherung zahlte aber nur 1.670,24 EUR Stornokosten statt der Gesamtsumme i.H.v. 2.589,44 EUR. Der Kläger forderte vor Gericht die Zahlung des Differenzbetrags von der Versicherung.
Das AG München gab dem Kläger teilweise Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 644,96 EUR. Den Restbetrag wertete das Gericht als zulässige Selbstkosten, die auf Grundlage einer AGB-Klausel der Versicherung zwischen Kläger und Beklagte vereinbart wurde.
Damit stellt die operative Maßnahme nach einem Nasenbruch zwar eine unerwartet schwere Erkrankung zu, wodurch Ihnen eigentlich die gesamten Stornierungskosten zustehen. Allerdings hat das AG München auch entschieden, dass eine AGB-Klausel mit einer Selbstbeteiligung zulässig ist.
Meines Erachtens haben Sie dadurch einen Anspruch auf die Erstattung der gesamten Stornierungskosten abzüglich 20 %.
Dieser Beitrag stellt jedoch nur eine Rechtsmeinung dar. Aufgrund des komplexen Sachverhaltes könnte es daher durchaus sinnvoll und hilfreich für Sie sein, einen Fachanwalt für Reiserecht zu Rate zu ziehen.