Hallo,
deine Freundin und du gehören leider auch zu den Betroffenen des Wilden Streiks von TUIfly. TUI kündigte eure Reise aufgrund des Streiks. Dass der Urlaub nach Fuerteventura dadurch nicht stattgefunden hat, ist sehr ärgerlich.
Im Forum wurde schon mal auf die Frage des wilden Streiks eingegangen. Zum Beispiel hier:
Liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor wenn TUIfly meint dass sie selbst von den Maßnahmen ihrer Mitarbeiter überrascht gewesen sei und dies für sie unerwartet kam (wilder Streik)??
Normalerweise haben Fluggäste einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Artikel 7 der Europäischen Fluggastrechteverordnung. In diesem Artikel steht:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Die Entfernung Frankfurt – Fuerteventura beträgt etwas mehr als 3.000 km, weshalb euch nach Artikel 7 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400€ zustehen würde. Diese Ausgleichszahlung muss allerdings nicht erfolgen, wenn ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt.
Ein außergewöhnlicher Umstand ist ein Ereignis, das von der Fluggesellschaft nicht beeinflussbar oder zu beherrschen ist. Die genaue Definition kannst du hier nachlesen. Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung regelt den Umgang mit außergewöhnlichen Umständen:
3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auchdann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Die Frage ist also, wie mit einem wilden Streik umzugehen ist. Dazu haben verschiedene Gerichte Stellung genommen:
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2017, Az.: 29 C 3361/16 (40) (einfach zu finden, indem du auf Google "29 C 3361/16 (40) reise-recht-wiki.de eingibst)
Meldet sich ein erheblicher Teil des Flugpersonals krank, stellt dies unabhängig davon, ob dies als "Wilder Streik" oder tatsächliche Fluguntauglichkeit zu bewerten ist, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung dar. Ist ein Fluggast davon in Form einer Flugannullierung betroffen, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO.
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.03.2017, Az.: 31 C 117/17 (16) (einfach zu finden, indem du auf Google "31 C 117/17 (16) reise-recht-wiki.de eingibst)
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund massenhafter angeblicher Krankmeldungen des Flugpersonals, so kann sich die Airline nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.
AG Brühl, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 C 480/16 (einfach zu finden, indem du auf Google "3 C 480/16 reise-recht-wiki.de" eingibst)
Ein außergewöhnlicher Umstand gem. Art. 5 III der VO liegt selbst bei massenhaften unberechtigten Krankmeldungen von Mitarbeitern nicht vor. Ein solcher "Wilder Streik" ist nicht vergleichbar mit einem regulären, von einer Gewerkschaft organisierten Streik. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Bühl hervor.
AG Hannover, Urt. v. 03.05.2017, Az.: 425 C 1171/17 (einfach zu finden, indem du auf Google "425 C 1171/17 reise-recht-wiki.de" eingibst)
Kommt es zu einem wilden Streik des Personals eines Luftfahrtunternehmens, so kann dieses sich nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggast¬rechte¬verordnung (VO) stützen. Einem betroffenen Fluggast steht daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 VO zu.
Die Meinungen sind allerdings nicht immer ganz eindeutig. Deshalb wurde diese Frage nun dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt. Der EuGH hat im April 2018 eine Entscheidung getroffen. Wenn du Interesse hast, hier ist der Link zum Urteil:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=201149&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
Der EuGH hat hierbei zwei wichtige Voraussetzungen festgelegt:
Zum einen dürfe das Ereignis, das zu den Behinderungen führte, nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein. Zum anderen dürfe es von der Airline nicht beherrschbar sein.
Der Streik wurde aufgrund des „Management Letters“ ausgelöst. Dieser Brief war eine Ankündigung von TUI über eine überraschende Umstrukturierung. Ein Streik der Mitarbeiter als Reaktion auf eine Umstrukturierung ist nicht ungewöhnlich, weshalb der EuGH den wilden Streik 2016 als Teil der normalen Geschäftstätigkeit betrachtet. Was du Unbeherrschbarkeit angeht, so hat das Gericht entschieden, dass der Streik durchaus beherrschbar war. Nach der Einigung zwischen Konzern und Betriebsrat endete der Streik sofort.
Daraus folgt, dass der wilde Streik 2016 kein außergewöhnlicher Umstand ist, euch steht somit eine Ausgleichszahlung zu. Da diese Ansprüche erst nach 3 Jahren verjähren, hast du noch bis 2019 Zeit, den Anspruch geltend zu machen. Ich rate dir also, TUI eine Zahlungsaufforderung zu schicken. In dieser sollte auch die Flug-/Buchungsnummer enthalten sein und eine angemessene Frist zur Zahlung.
Dennoch rate ich dir für das weiter Vorgehen sicherheitshalber einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um einen Anreiz, welche Rechte du haben könntest und was du als nächsten Schritt unternehmen kannst.