Sie haben Flüge bei Lufthansa von München nach Marrakesch gebucht. Der Hinflug konnte jedoch nicht wie geplant durchgeführt werden, sondern erst 10 Stunden später. Sie sind dann auch mit dieser erheblichen Verspätung an Ihrem Zielflughafen angekommen.
Fraglich ist, ob Sie dadurch Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen können.
Bei einer Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges ergeben sich mögliche Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung. Gemäß Artikel 7 der VO Nr. 261/2004 haben könnten Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben. Dieser bemisst sich nach der Entfernung:
"Artikel 7 Ausgleichsanspruch
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen."
Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der VO Nr. 261/2004 ist das ausführende Luftfahrtunternehmen jedoch nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Grund für die Verspätung war ein Unfall auf dem Flughafen. 2 Gepäckwagen waren nicht richtig gesichert und kollidierten dann mit dem geparkten Flugzeug. Fraglich ist, ob dieser einen außergewöhnlichen Umstand darstellt.
Dazu hier ein paar Urteile zu ganz ähnlichen Vorfällen:
BGH, Urt. v. 20.12.2016, Az.: X ZR 75/15
Eine Kollision von einem Gepäckwagen und einem Flugzeug in Parkposition stellt kein außerhalb dem üblichen Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr liegendes Ereignis dar. Es handelt sich vielmehr um ein Vorkommnis, mit welchem bei der planmäßigen Durchführung von Flügen gerechnet werden muss, da es Teil des normalen Betriebsablaufs eines Luftfahrtunternehmens ist. Insofern kann sich das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 III der Verordnung 261/2004 berufen.
AG Nürtingen, Urt. v. 31.10.2016, Az.: 10 C 1551/15
Kommt es zu einer Flugannullierung, da das eingesetzte Flugzeug auf dem Weg zur Startbahn unverschuldet mit einem Flugzeug einer anderen Fluggesellschaft kollidiert, so ist darin kein außergewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 III der FluggastrechteVO zu sehen. Dem Fluggast steht ein Anspruch aus Art. 7 Abs. 1 der FluggastrechteVO zu.
LG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.06.2015, Az.: 2-24 S 51/15 (Das Urteil können Sie im Volltext unter "Az.: 2-24 S 51/15 reise-recht-wiki" bei Google finden)
Die Beschädigung eines geparkten Flugzeugs durch wegrollendes Fahrzeug des Flughafenbetreibers stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Dadurch resultierende Verspätungen müssen von der Airline in Form von Ausgleichsleistungen entschädigt werden.
EuGH, Beschl. v. 14.11.2014, Az.: C-394/14 (Das Urteil können Sie im Volltext unter "Az.: C-394/14 reise-recht-wiki" bei Google finden)
Bei der Kollision eines Flugzeugs mit einem Treppenfahrzeug ist von einem Umstand auszugehen, der als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens anzusehen ist. Insofern liegt kein Exkulpationsgrund in Form eines außergewöhnlichen Umstandes vor.
In all diesen Fällen steht den Flugreisenden dann auch ein Entschädigungsanspruch zu. Da Ihr Vorfall ganz ähnlich ist, könnte ich mir gut vorstellen, dass Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung gegen die Fluggesellschaft haben.
Allerdings ist noch anzumerken, dass solche Fälle immer von einzelnen Umständen abhängen und ich zudem nur meine subjektive Meinung zu dem Thema preis geben kann. Dies ersetzt in keinem Fall die fachanwaltliche Beratung.