Guten Tag,
meiner Meinung nach ist es eigentlich irrelevant, ob es sich um eine Annullierung oder eine große Verspätung handelt.
Aber zunächst möchte ich erst einmal eine Definition dieser beiden Begrifflichkeiten geben.
Unter eine Annullierung versteht man gem. Art. 2 lit. l) der EG-VO 261/2004 die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Eine große Verspätung liegt hingegen dann vor, wenn der Flugpassagier mit einer Verspätung von mind. 3 Stunden an seinem Endziel ankommt. Nach Art. 1 lit. h) der Verordnung versteht man unter Endziel den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges.
Diese Definitionen werden auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt, siehe hier:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az.: C-83/10 (nachzulesen über die Google-Suche „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
BGH, Urteil v. 18.02.2010, Xa ZR 166/07(Google-Suche: „BGH XA ZR 166/07 reise-recht-wiki.de“)
Beträgt die Verspätung auf einem Flug von einer Fluglänge von mindestens 1500 km mehr als drei Stunden, steht dem Fluggast ein Anspruch aus Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen zu.
Daher ist es wie bereits erwähnt für mich irrelevant, welchen Terminus man nun verwendet, obwohl ich auch eher von einer kompletten Annullierung ausgehe. Ansprüche dürften allerdings in beiden Fallvarianten in Frage kommen. Jedenfalls regelt Art. 5 I VO die verschiedenen Rechte, die bei einer Annullierung bestehen könnten. Denn bei einer Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten, sowie Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwar- tende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten. Zudem bestehe ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt.
Den meisten Reisenden ist der Anspruch auf Entschädigungszahlungen gem. Art. 7 der VO der wichtigste. Denn je nach Strecke wird eine pauschale Ausgleichsleistung angeordnet, die zwischen 250 und 600 Euro variieren kann. Hier die genaue Staffelung:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei einer Entfernung FRA-TSF wären dies laut Rechner 2013 Meter, so dass 400 Euro pro Person angeboten werden müssten.
Allerdings bestehen für die Fluggesellschaft Ausnahmen. Denn gem. Art. 5 III der Verordnung muss eine Airline keine Ausgleichszahlungen vornehmen, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außer- gewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Es kommt nun also auf den Grund für die massive Verspätung an. Erwägungsgrund 14 der VO nennt hier vor allem Wetterbedingungen, Streiks oder Flugsicherheitsmängel. Hier möchte ich gleich noch erwähnen, dass technische Defekte oftmals keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Da ich allerdings nicht weiß, was genau vorgefallen ist, kann ich hierzu nichts näheres sagen.
Jedenfalls ist noch Art. 9 von Bedeutung. Denn laut dessen Inhalt hat die Airline auch dafür Sorge zu tragen, dass Sie Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenem Verhältnis zur Wartezeit erhalten, sowie eine Hotelunterbringung, falls ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist und zudem die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).
AG Dortmund, Urteil vom 04.03.2008, Az.: 431 C 11621/07 (nachzulesen über die Google-Suche „431 C 11621/07 reise-recht-wiki“)
Nach der EU-Fluggastrechteverordnung muss ein Luftfahrtunternehmen einem Passagier eine Hotelübernachtung finanzieren, wenn eine Übernachtung wegen eines Flugausfalles notwendig wurde. Tut ein Unternehmen dies nicht und mietet der Passagier deswegen auf eigene Faust ein Hotelzimmer, so kann er die Kosten dafür ersetzt verlangen.
Hinsichtlich der Frage nach einem Aufwendungsersatz ist noch dieses Urteil interessant.
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.03.2011, Az 2-24 S 1/11 (zu finden über die Google-Suche „2-24 S 1/11 reise-recht-wiki“)
Neben den Ansprüchen auf eine Ausgleichszahlung kann auch ein Anspruch auf weitergehender Schadensersatz bestehen. Dies betrifft jeden Schaden, der direkt durch die Annullierung hervorgerufen wird, beispielsweise zusätzliche Flugkosten für einen Alternativflug.
Daher könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Sie auch die Bahnfahrscheine und die Sitzplatzreservierungskosten zurück verlangen können.
Allerdings kann ich hier immer nur Vermutungen aufstellen. Letztendlich kann Ihnen nur ein Fachanwalt eine sichere Auskunft erteilen. Trotzdem hoffe ich, dass dieser Beitrag Ihnen etwas weiter geholfen haben.