Hallo Clemens,
das ist ja eine sehr komplizierte Angelegenheit.
Findet die EG-VO Anwendung oder die ZPO?
So wie ich das verstanden habe, hat ihre Bekannte eine Pauschalreise gebucht. Deshalb würde ich meinen, dass in aller erster Linie das deutsche Pauschalreiserecht gilt, welches sich aus §§ 651 a ff. BGB ergibt. Daraus resultiert meiner Meinung nach, dass auch die ZPO anwendbar ist.
Wo liegt der Klageort bzw. die Gerichtszuständigkeit?
Wie Sie bereits selber erwähnt haben, ergibt sich der Gerichtsstand aus § 29 ZPO:
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
Der Wohnsitz der Klägerin wäre Würzburg. Der Reiseveranstalter ist in Gießen ansässig. Der Flug sollte in Frankfurt a.M. starten und der Urlaub in Ruanda stattfinden.
Um ihre Frage zu klären, möchte ich das folgende Urteil kurz besprechen. Dies können Sie auf reise-recht-wiki.de einsehen:
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.2015, Az.: 11 SV 72/15
Vorliegend hat der Kläger bei dem Beklagten Reiseveranstalter eine Reise nach Uganda mit Abflugsort in Frankfurt gebucht. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person bestimmt sich n. § 13 ZPO am Wohnsitz des Klägers. Dies ist in diesem Fall in Nürberg-Fürth. Die Beklagte hatte ihren Geschäftssitz im Bezirk des Landgerichts Koblenz. Die anschließende Klage wegen Reisemängeln hat der Kläger beim Landgericht Frankfurt erhoben.
Allerdings hat sich das LG Frankfurt vorliegend für unzuständig erklärt und hat die Sache an wiederum an das LG Nürnberg Fürth verwiesen.
Es begründete diese Verweisung damit, dass bei einem Reisevertrag der Ort des Abflugs keinen Gerichtsstand gemäß § 29 ZPO begründe. Fraglich wäre trotzdem, ob das LG Nürnberg-Fürth zuständig sei. Dies hänge von der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) 44/2001 (Brüssel I VO), jetzt VO (EU) 1215/2012 (Brüssel I a VO) ab. Die Beantwortung dieser Frage wurde insofern offen gelassen, als dass dies der EuGH klären müsste. Daher hat sich das LG Nürnberg-Fürth für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Koblenz weiterverwiesen. Dies verwies wiederum den Rechtsstreit und hat sich für unzuständig erklärt. Dies war der Meinung, dass die Weiterverweisung durch das LG Nürnberg-Fürth nicht möglich gewesen sei gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.Das Landgericht Frankfurt hätte den Rechtsstreit nicht verweisen können, ohne auch die gesetzlichen Rechtsfolgen hiervon zu aktivieren. Daher hat das Landgericht Koblenz die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt vorgelegt, damit dieses die Zuständigkeit bestimmen könne.
Letztendlich entschied das OLG Frankfurt, dass tatsächlich das LG Koblenz zuständig sei, da dieses durch bindende Verweisung des Landgerichts Nürnberg-Fürth für zuständig erklärt wurde. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hingegen war durch die vorherige Verweisung des Landgerichts Frankfurt nicht gebunden. Denn das Landgericht Frankfurt hatte bei seiner Verweisung die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth offen gelassen. Damit war seine Verweisung nicht im Rahmen des § 281 ZPO erfolgt und konnte dementsprechend auch keine Bindungswirkung gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPOentfalten. Das angerufene Gericht müsse das zuständige Gericht ermitteln. Wenn es dies nicht abschließend tut, ist eine Verweisung unzulässig.
Zusammenfassend bedeutet dies, dass es tatsächlich möglich ist, dass der Gerichtsstand in Gießen liegt. Natürlich ist dies ein sehr komplizierter Sachverhalt, weshalb hier keine eindeutige Aussage gegeben werden kann, sondern leidglich eine Vermutung.
Bei ganz konkreten Rechtsfragen ist es sicherlich ratsamer, einen Fachanwalt zu befragen.
Hier auch ein Forenbeitrag in dem die ganzen Grundlagen bereits besprochen wurden:
http://flugrechte.eu/13618/reiseveranstalter-fluggesellschaft-verklagen-flugverspätung?show=13618#q13618