Sie haben einen Flug von Delhi über Paris nach Düsseldorf gebucht. Nun wurde der erste Flug 4 Tage vor Abflug um eine Stunde nach hinten verschoben, sodass Sie Ihren Anschlussflug nicht mehr erreichen und mit einer Verspätung von 11 Stunden an Ihrem Zielflughafen ankommen.
Sie fragen nun nach möglichen Ansprüchen. Bei einer Verspätung oder Annullierung kommen Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte-VO Nr. 261/2004 in Betracht. Fraglich ist jedoch zunächst, ob diese überhaupt anwendbar ist. Der Anwendungsbereich wird in Art. 3 der Verordnung geregelt:
Art. 3 Anwendungsbereich. (1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten
Ihr Abflughafen ist außerhalb der EU. Leider geben Sie nicht an, mit welcher Fluggesellschaft Sie fliegen. Ansprüche kommen nämlich nur dann in Betracht, wenn Sie mit einer europäischen Fluggesellschaft geflogen sind.
Angenommen die VO Nr. 261/2004 ist in Ihrem Fall einschlägig, stellt sich die Frage nach den Ansprüchen daraus. In Ihrem Fall fliegen Sie mit einer Verspätung von 1 Stunden los und kommen mit einer Verspätung von 11 Stunden an Ihrem Zielflughafen an. Maßgeblich ist nach einer Entscheidung des EuGH dabei nicht die Verspätung am Abflugsort, sondern mit welcher Verspätung sie dann tatsächlich am Endziel angekommen sind:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az.: C-452/13 8 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Es ist also allein die Verspätung von 11 Stunden in Düsseldorf maßgeblich. Ab einer Verspätung von 3 Stunden steht dem Fluggast ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zu:
LG Frankfurt, Urt. v. 26.07.2013, Az: 2-24 S 47/12 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 2-24 S 47/12 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Es ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslösen.
Der Anspruch auf Ausgleichszahlungen ergibt sich aus Art. 7 der EG-VO 261/2004: Die Entschädigungszahlungen sind in ihrer Höhe je nach Flugstrecke gestaffelt.
-> 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
->400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
->600 EUR bei allen anderen Flügen.
Die maßgebliche Strecke ist dabei die Entfernung zwischen Delhi und Düsseldorf.
LG Landshut, Urteil vom 16.12.2015, Az. 13 S 2291/15 (im Internet kann man das Urteil bei Interesse nachlesen, wenn man bei Google eingibst: "13 S 2291/15 reise-recht-wiki.de")
Die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung ergibt sich dabei nach der Großkreismethode aus der unmittelbaren Distanz von Ausgangsflughafen bis zum letzten Zielort.
Sie haben meines Erachtens also einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 600 EUR pro Fluggast.
Dieser entfällt aber dann, wenn der Fluggast gem. Art. 5 Abs. 1 c) i) VO Nr. 261/2004 mindestens 14 Tage im Voraus über die Annullierung informiert wurde. Diese Frist wurde in Ihrem Fall nicht eingehalten. Ich gehe daher davon aus, dass Sie einen Anspruch auf die Ausgleichszahlungen haben, vorausgesetzt natürlich, dass der Flug auch von einer europäischen Fluggesellschaft ausgeführt wurde.
Dieses stellt jedoch nur eine Rechtseinschätzung dar, weshalb es für Sie sinnvoll sein könnte, einen Fachanwalt für Reiserecht einzuschalten.