Es kam zu einer Verspätung Ihres Flugs. Fraglich ist, ob Sie dadurch Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung haben.
Das ist dann der Fall, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt. In einem solchen Fall können ergeben sich dann Ansprüche gemäß Artikel 5 EU-VO.
Eine Annullierung liegt in Ihrem Fall nicht vor, da der Flug ja lediglich verspätet war. Es könnte aber eine große Verspätung vorliegen. Maßgeblich ist dafür nicht wann der Flug losgeflogen ist, sondern wann er angekommen ist:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: „Az.: C-452/13 8 reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Entscheidend ist also nicht der um 5 Stunden verspätete Start, sondern die Verspätung mit der Sie angekommen sind. Sie sind nach eigenen Angaben mit einer Verspätung von knapp 4 Stunden an Ihrem Zielflughafen angekommen. Fraglich ist, ob das bereits eine große Verspätung begründet. Dazu folgendes Urteil:
LG Frankfurt, Urt. v. 26.07.2013, Az: 2-24 S 47/12 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 2-24 S 47/12 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Es ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslösen.
Sie haben also grundsätzlich einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung aus Art. 7 VO Nr. 261/2004.
Nun beruft sich die Fluggesellschaft aber auf eine Kürzung gem. Art. 7 Abs. 2:
(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit
a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger nicht später als zwei Stunden oder
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 und 3500 km nicht später als drei Stunden oder
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.
Nun haben Sie jedoch keine anderweitige Beförderung wahrgenommen, sondern Ihr ursprünglicher Flug war einfach verspätet. Fraglich ist also, ob Art. 7 Abs. 2 auch auf diesen Fall anzuwenden ist. Dazu folgende Urteile:
AG Frankfurt, Urt. v. 25.05.2011, Az: 31 C 2/11 (16) (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 31 C 2/11 (16) reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Anspruch der Kläger ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch nicht „analog“ Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 um die Hälfte zu kürzen. Die Analogie greift nicht. Dazu wäre eine Vergleichbarkeit des vorliegenden mit dem in Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 geregelten Sachverhalt erforderlich. Der dort geregelte Sachverhalt – Annullierung, aber Ersatzflug mit weniger als zwei Stunden Ankunftsverspätung – ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt – mehr als dreistündige Verspätung – nicht vergleichbar. Auch als „Erheblichkeitsschwelle“ kommt eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Dass nicht jede Flugverspätung Ansprüche nach der Verordnung auslösen soll, hat der EuGH mit dem Erfordernis eines „mehr als dreistündigen Zeitverlusts“ klargestellt.
AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.07.2011, Az: 3 C 739/11 (36) (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Klägerseite steht die Ausgleichszahlung in voller Höhe zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 VO um 50 % zu kürzen. Art. 7 Abs. 2 VO ist nicht direkt einschlägig, da diese Vorschrift auf eine anderweitige Beförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. b), lit. c) VO durch einen Alternativflug abstellt. Vorliegend wurde aber kein Alternativflug zum Endziel, sondern gerade der ursprünglich geplante Flug durchgeführt. Die direkte Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO setzt erkennbar eine Nichtbeförderung oder Annullierung voraus; hier liegt indes lediglich eine Verspätung vor.
Damit ist eine analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 im Falle einer Verspätung ausgeschlossen. Sie haben meines Erachtens einen Anspruch auf Erstattung der gesamten Ausgleichszahlungen i.H.v. 600 EUR.
Sie sollten aufgrund des komplexen Sachverhalts außerdem darüber nachdenken, ob Sie nicht vielleicht einen Fachanwalt für Reiserecht zu Rate zu ziehen wollen.