Wenn ihr wegen eines vertragswidrigen Verhaltens eures Rechtsanwaltes Kosten habt, z.B. durch Kosten für einen neuen weiteren Anwalt, braucht ihr die Rechnung von eurem ersten Anwalt nicht bezahlen.
AG München . 7.12.2011 . 172 C 13185/11:
c) Der Anspruch des Rechtsanwalts auf Zahlung seines Honorars ist allerdings nach § 628 Abs. 1 Satz 22. Alt. BGB entfallen. Die Klägerseite hat durch das eigene vertragswidrige Verhalten die Kündigung des Beklagten veranlasst. In der Folge hatte dieser einen neuen Anwalt zu beauftragen und daher zumindest kein Interesse mehr an den bisherigen hinsichtlich der Leistungsstufe getätigten Arbeiten der Klagepartei.
Hinsichtlich des Vorliegens eines vertragswidrigen Verhaltens und deren Kausalität für die erfolgte Kündigung trägt die Beklagtenseite die Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Klägerseite hinsichtlich der Verjährung eine Falschauskunft erteilte, welche als grobe Verletzung des Anwaltsvertrages zu qualifizieren ist.
Grundsätzlich hat ein Anwalt die Interessen des Mandanten in den Grenzen des erhaltenen Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen und sein Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen des Mandanten möglichst vermieden werden (Münchener Kommentar, 5. Auflage, § 675 Rn.28).
Insbesondere hat der Anwalt dafür Sorge zu tragen, dass die Rechte des Mandanten gegen eine drohende Verjährung gesichert werden (Münchener Kommentar, 5. Auflage, § 675 Rn.30.). Mit dieser Pflicht geht einher, dass der Anwalt gegenüber dem Mandanten Verjährungsfristen - gerade in einem Fall, in welchem die Verjährungsüberwachung relevant ist - richtig berechnet.
Es stellt damit nach Auffassung des Gerichts eine elementare und gravierende Pflichtverletzung dar, wenn der beratende Rechtsanwalt die Verjährungsfrist objektiv falsch berechnet und tatsächlich die Verjährung zu einem früheren Zeitpunkt eintritt. Bei einer solchen Pflichtverletzung ist der Mandant nicht gehalten, weiter an dem Mandat festzuhalten.
Vielmehr kann er das Mandat kündigen mit der Folge des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Der beklagtenseits nachzuweisende Umstand einer solchen Pflichtverletzung wurde nachgewiesen. Der bei der Klägerin beschäftigte ..., dessen Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muss, erteilte hinsichtlich der Verjährung der Pflichtteilsansprüche eine falsche Auskunft. Er gab gegenüber dem Beklagten an, er habe sich für die Verjährung den 20.12.2010 notiert. Er erwarte Weisung bis zum 01.12.2010 (K 55). Zu diesem Zeitpunkt wäre die Forderung allerdings längst verjährt gewesen.
Hierbei ging die Klägerseite fälschlicherweise von einem Verjährungsbeginn am 07.11.2003 aus, wohingegen, wie sich auch aus dem Urteil des Amtsgerichts Darmstadt (K 36) und der Klageschrift der Klagepartei in der damaligen Angelegenheit selbst ergibt, auf den 11.07.2003 abzustellen war. Pflichtteilsansprüche verjähren nach § 2332 Abs. 1 BGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und der beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt.
Die Stufenklage mit Klageschrift vom 27.06.2006 ist bei dem zuständigen Landgericht Darmstadt am 28.06.2006 eingegangen. Mithin war ab diesem Zeitpunkt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
Die Verjährung endete nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung bzw. einer anderweitigen Beendigung des Verfahrens, wobei nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB der Nichtbetrieb des Verfahrens dem gleichzusetzen ist. Nach dem Vortrag beider Parteien handelte es sich bei der Übersendung des Sachverständigengutachtens an den Beklagten persönlich aufgrund des ergangenen Teilurteils um die letzte Verfahrenshandlung. Das Gutachten datiert auf den 19.02.2010. Maßgeblich hierbei wäre auf den Zugang des Gutachtens abzustellen. Jedenfalls ist dieses in der Folgezeit, d.h. in der unmittelbaren Folgezeit unstreitig zugegangen.
Objektiv unrichtig ist aber die Berechnung der Klagepartei: diese ging davon aus, dass nach Ablauf der Hemmung nach 6 Monaten noch 4 Monate Verjährungsfrist verbleiben. Diese Falschberechnung beruht auf der Annahme, Verjährungsbeginn sei der 07.11.2003 und nicht der 11.07.2003 gewesen. Es verblieben allerdings lediglich 14 Tage Verjährungsfrist, welche sich der Hemmung der Verjährung anschlossen.
Es kommt nach der Auffassung des Gerichts nicht darauf an, ob sich diese Falschberechnung der Verjährung in dem Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt ausgewirkt hat. Allein in der Erteilung einer derart gravierenden Falschauskunft am 06. Juli 2010, und damit wenige Wochen vor dem tatsächlichen Eintritt der Verjährung, liegt eine erhebliche Verletzung des Anwaltsvertrages und damit ein vertragswidriges Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 2 Satz 2 BGB, welches das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zerstört.
Daher konnte der Beklagte, der das Mandatsverhältnis zum 10.09.2010 gem. § 627 BGB kündigte - eine frühere Kündigung konnte nicht nachgewiesen werden - sich auf § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen. Aus seiner (nicht zugegangenen Kündigung) vom 31.07.2010 sowie der nachfolgenden Kündigung ging eindeutig hervor, dass das Vertrauensverhältnis auch aufgrund der unzutreffenden Verjährungsüberwachung der Klägerseite gekündigt wurde.
Der Aufrechnung mit einer Gegenforderung bedurfte es in diesem Fall nicht (OLG Rostock, Beschluss vom 12.8.2008 - 1 U 157/08).
Jedenfalls Leistungen, die an die Geltendmachung der 0,8 Gebühr nach 3101 W-RVG zzgl. Mehrwertsteuer (insgesamt 1215,70 €) anknüpfen hatte der Beklagte kein Interesse mehr, da er einen neuen Anwalt mit dem Tätigwerden zu den Gebühren nach dem RVG beauftragen musste und diese Gebühr damit noch einmal anfiel.
Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Dieser Lage sieht sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts gegenüber, wenn er wegen einer von dem bisherigen Prozessbevollmächtigten durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die Aufwendungen für den zuerst bestellten Prozessbevollmächtigten sind dann für den Auftraggeber nutzlos geworden. Das führt zum Untergang des Vergütungsanspruchs, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf (BGH, NJW 1982, 437).