Hallo Geli Brunetto,
dein Koffer ist bei einem Germanwings Flug am 15.07.2015 nicht, wie erwartet, auf dem Gepäckband erschienen. Erst am 12.08.2015 ist dir dein Koffer nach Hause geliefert worden. Nicht nur, dass du solange auf ihn warten musstest, er war zudem fast leer. Dies hast du der Germanwings mitgeteilt und somit den Schaden angezeigt. Die Germanwings behauptet nun jedoch, dass sie nicht zahlen müsse. Dies begründet sie mit der Tatsache, dass es an Quittungen mangele. Du fragst dich nun, ob es sinnvoll ist gegen die Germanwings zu klagen.
Leider kann ich deinen Ausführungen nicht entnehmen auf welcher Strecke der Koffer genau zeitweise verloren ging, welche Dinge du ersatzweise kaufen musstest und welchen Wert die Gegenstände im Koffer hatten, welche entwendet wurden.
Daher kann ich nur ein paar allgemeine Hinweise formulieren und hoffen, dass sie dir etwas helfen.
I. Allgemeiner Haftungsgrundsätze
Grundsätzlich haftet die Fluggesellschaft für Zerstörung, Verlust oder Beschädigung gemäß Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens (MÜ).
„(2) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzten, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Der Luftfrachtführer haftet jedoch nicht, wenn und soweit der Schaden auf die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurückzuführen ist. Bei nicht aufgegebenem Reisegepäck, einschließlich persönlicher Gegenstände, haftet der Luftfrachtführer, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute zurückzuführen ist.“
Des Weiteren haftet die Fluggesellschaft für Verspätungen gemäß Art. 19 MÜ.
„Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht. Er haftet jedoch nicht für den Verspätungsschaden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.“
II. Gepäckverspätung
Eine Gepäckverspätung liegt vor, wenn das Gepäck nicht rechtzeitig angedient wird. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass die Verspätungsanzeige fristgerecht beim zuständigen Luftfahrtunternehmen eingeht. Gemäß Art. 31, Abs. 2, S. 2 des MÜ muss eine Verspätungsanzeige innerhalb von 21 Tagen, nachdem der Fluggast das Gepäck bekommen hat beim Luftbeförderungsunternehmen eingehen. Die Verspätungsanzeige muss zudem schriftlich erfolgen und begründet werden. Des Weiteren muss dargelegt werden, welche Anschaffungen aufgrund der Gepäckverspätung getätigt wurden. Rechnungen müssen dabei stets aufgehoben werden, da das Gericht andernfalls die Ausgaben nicht nachvollziehen kann.
III. Gestohlene Gegenstände
Fraglich ist zunächst, ob gestohlene Gegenstände unter einen Gepäckverlust oder eine Gepäckbeschädigung zu subsumieren sind. Auf den ersten Blick würde man diese eher dem Gepäckverlust zuordnen. Da das Gepäck an sich aber wieder zum Eigentümer zurückgebracht wurde und lediglich ein Teil des Inhaltes fehlte, kann hier kein Gepäckverlust angenommen werden. Vielmehr ist hier ein Teilverlust anzunehmen. Ein Teilverlust ist juristisch gesehen als Beschädigung zu behandeln. Es gelten demnach die Anzeigefristen einer Gepäckbeschädigung. Gemäß Art. 31 Abs. 2 MÜ muss diese unverzüglich und spätestens binnen einer Ausschlussfrist von 7 Tagen erfolgt sein.
Da die Fluggesellschaft für alle Schäden haftet, welche in dem Zeitraum entstehen, in welcher ihr die Sachen anvertraut wurden, muss sie prinzipiell auch für einen Diebstahl haften, der in dieser Zeit begangen wurde. Es ist also für die Haftung völlig unerheblich, wie der Schaden zustande kam, ob das Gepäck also infolge einer Unachtsamkeit beschädigt wurde, oder Zielobjekt krimineller Energie war. Der Luftfrachtführer haftet dabei zunächst auch für das Verhalten seiner Angestellten, oder für die eigene Unachtsamkeit, wenn es Dritten während der Gepäckbeförderung möglich war, Gegenstände aus dem Gepäck zu stehlen.
Gleichzeitig entfällt bei einem Diebstahl, also einer vorsätzlichen Schadensherbeiführung, die Haftungsbeschränkung (gemäß Art. 22 Abs. 5 MÜ) der Fluggesellschaft. Die Airline haftet dann in unbegrenztem Maße.
Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 21.11.2013, Az. 16 U 98/13 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google „reise-recht-wiki OLG Frankfurt 16 U 98/13“ eingibst.)
Hier entschied das Gericht, dass die Fluggesellschaft bei Vorliegen eines Diebstahles unbeschränkt zu haften habe Dem Gericht reichten dabei mehrere Tatumstände, die auf einen Diebstahl hinwiesen. Die Tat selbst musste nicht genau rekonstruiert werden.
Anders verhält es sich nur, wenn die Airline tatsächlich nachweisen kann, dass ein Dritter einen Diebstahl verübte, und die Fluggesellschaft für diesen Diebstahl infolge besonderer Tatumstände auch nicht haften muss. In diesem (äußerst seltenen) Fall können Rückgabe- und Schadensersatzansprüche dann jedoch gegenüber dem Täter geltend gemacht werden.
Des Weiteren kann jedoch die Beförderung von Wertgegenständen im aufgegebenen Gepäck zu einer Haftungsminderung oder sogar zu einem Haftungsausschluss der Airline nach Art. 20 Satz 1 MÜ führen.
Ob dies der Fall ist hängt davon ab, ob die Gegenstände besonders wertvoll waren und ob sie nach Gewicht und Größe auch im Handgepäck hätten transportiert werden können.
Dies darf jedoch nicht zu einem generellen Haftungsausschluss solcher wertvollen Gegenstände führen.
So auch OLG Köln, Urteil vom 11. 04.2003 Az. 6 U 206/02 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: "OLG Köln 6 U 206/02 reise-recht-wiki.de")
Hier kam das Gericht zu dem Entschluss, dass es keinen Unterschied machen könne, ob ein Fluggast eine alte Pocket-oder eine nagelneue Digitalkamera in den Koffer gepackt hat.
Es ist somit weiterhin fraglich, ab wann ein Gegenstand als so wertvoll angesehen wird, dass es als unverantwortlich gilt, ihn im Gepäck aufzugeben. Diese Frage ist mithin einzelfallabhängig und muss daher vom jeweiligen Gericht individuell geklärt werden.
Fazit: Ob es sich lohnt zu klagen, hängt meiner Ansicht nach davon ab, welchen Wertverlust du durch die Verspätung und die Entwendung der Gegenstände erlitten hast. Ein Verfahren kann oftmals langwierig und teilweise auch teuer sein. Auf der anderen Seite stehen deine Chancen wahrscheinlich recht gut. Ich hoffe dein Anwalt konnte dir die Entscheidung erleichtern.