Hallo,
du schilderst einen typischen Fall einer Verspätung. Daher besteht grundsätzlich die Möglichkeit Ansprüche aus der Fluggastrechte Verordnung geltend zu machen.
I. Was ist die Flugastrechte Verordnung?
Die Fluggastrechte Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 ist eine gemeinsame Regelung, welche dem Schutz der Fluggäste dienen soll. Niedergeschrieben sind Regelungen für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.
II. Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich für die genaue Berechnung der Verspätung?
Der Europäische Gerichtshof bestimmt den tatsächlichen Ankunftszeitpunkt als den Moment, in dem das Flugzeug nach der Landung die Türen öffnet und den Passagieren den Ausstieg ermöglicht.
Näheres findest du in folgendem Urteil:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az: C-452/13 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 452/13 reise-recht-wiki.de“)
Hier hat der EuGH hat nun klare Voraussetzungen für die Entschädigungszahlungen gesetzt. Maßgeblich ist allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen. Für den Ankunftszeitpunkt wurde das Öffnen einer Tür des Flugzeugs festgelegt. Es fand somit eine klare Abgrenzung zum Touch Down und der Erreichung der Parkposition statt.
III. Aus welcher gesetzlichen Anspruchsgrundlage kann ich Zahlung verlangen?
Grundsätzlich richten sich Fälle von Flugverspätungen nach Art. 6 VO. Liest man diesen wird jedoch schnell klar, dass er zwar auf Art 8 VO und Art. 9 VO verweist, nicht jedoch auf die Ausgleichszahlung aus Art. 7 VO. In Betracht kommt daher die analoge Anwendung von Art. 7 VO auf Verspätungsfälle. Eine Analogie kann nur bejaht werden, wenn eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage vorliegt. Diese hat der EuGH in verschiedenen Urteilen bejaht, sodass als Anspruchsgrundlage Art. 7 VO analog zu wählen ist.
IV. In welcher Höhe kann ich eine Ausgleichszahlung verlangen?
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Näheres dazu findest du in folgendem Urteil:
EuGH, Urteil vom 10.2012, Az: C-629/10 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 629/10 reise-recht-wiki.de“)
In diesem Urteil hat der EuGH mehrfach darauf hingewiesen, dass Grund für die Anwendungen der Ausgleichszahlungen der Umstand sei, dass ein Zeitverlust von mehr als 3 Stunden entstanden ist und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen. Für den Passagier ist es nämlich allein entscheidend, wann er an seinem Zielort eintrifft und nicht, ob die Verspätung vor oder nach Abflug entsteht.
V. Kann die Airline die Zahlung verweigern?
Der Anspruch entfällt nur dann, wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. In diese Kategorie fielen etwa ein spontaner Streik des Bodenpersonals an einem Flughafen oder bestimmte Witterungsverhältnisse.
Folgendes Urteil könnte deinem Fall ähneln:
AG Frankfurt, Urteil vom 24.06.2011, Az: 31 C 961/11 (16)(ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst“ AG Frankfurt 31 C 961/11 (16) reise-recht-wiki.de“)
Im diesem Fall hat das Gericht den Kläger entsprochen und festgestellt, dass ein Ausgleichsanspruch entstanden ist. In seinen Ausführungen erklärt es, dass ein technischer Defekt sei auch dann kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 VO sei, wenn er eintritt, trotz dass das Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Wartungsmaßnahmen vorgenommen hat. Ein außergewöhnlicher Umstand ist erst dann gegeben, wenn dem Luftfahrtunternehmen keine zumutbaren Maßnahmen zu dessen Abwendung möglich sind.