Lieber mixmaxmoritz,
den bereits abgegebenen Antworten ist zu entnehmen, dass du bereits zur Genüge über die Minimum Connecting Time aufgeklärt wurdest.
Ich möchte gern weiter auf den „Worst Case“ eingehen. Nämlich den Fall, dass du deinen Anschlussflug verpasst und dadurch gegebenenfalls deutlich später am Zielflughafen ankommen wirst.
Eine passende Anspruchsgrundlage ergibt dabei aus der Fluggastrechte Verordnung. Diese dient dem Schutz der Fluggäste. Niedergeschrieben sind Regelungen für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.
Wenn ein Passagier den Anschlussflug verpasst und daraufhin mit einer nicht unerheblichen Verzögerung am Zielflughafen eintrifft, kann dieser grundsätzlich Ansprüche aus Art. 7 VO geltend machen. Diese Ansprüche betreffen die Ausgleichszahlungen für folgende Verspätungen und Entfernungen:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Wesentlich ist im Zuge dessen, dass auf den Zeitpunkt der Ankunft am Zielort abzustellen ist.
Passend dazu ist folgendes Urteil:
EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Az: C-11/11 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 11/11 reise-recht-wiki.de“)
Hier hat der EuGH entschieden, dass für die Höhe des Schadensersatzanspruches im Sinne des Art. 7 VO nicht die Verspätung des Zubringerfluges, sondern die tatsächliche Verspätung am Zielflughafen ausschlaggebend ist. Folglich sei auf das „Endziel“ abzustellen. Dieses meint den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges.
Nach meiner Auffassung kann man das Urteil auch so deuten, dass ein Luftfahrtunternehmen auch dann die Ausgleichszahlung gewähren muss, wenn ein Anschlussflug schlichtweg nicht erreicht werden kann und dies auf das Verschulden des Unternehmens zurückzuführen ist.
Als Anspruchsgrundlage kommt dann je nach Einzelfall und Auffassung des Gerichts entweder eine Annullierung nach Art. 5 VO oder eine Verspätung nach Art. 6 VO, entsprechend in Verbindung mit Art. 7 VO in Betracht.
Meiner Meinung nach kann sich die Airline auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 c VO lossagen.
Art. 5 Abs. 1 c VO
„…c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen…“
In einem wie von dir geschilderten Fall scheint das Luftfahrtunternehmen davon auszugehen, dass der Anschlussflug erreicht werden kann, da dies sonst gar nicht zusammen auf einem Ticket und in einer Flugbestätigung vermerkt werden würde. Dies widerspricht dem Gedanken einer Annullierung. Eine Annullierung liegt nämlich vor, wenn das Luftfahrtunternehmen die ursprüngliche Planung für die vorgesehene Strecke aufgibt. Das würde ich hier verneinen. Daher komme ich zu dem Entschluss, dass mir kein Ausschlussgrund nach Art. 5 Abs. 1 c ersichtlich ist.
Mithin könnte im „Worst Case“ ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestehen.