Hallo,
du bist mit deiner Frau von Mallorca nach Hause geflogen und musstest am Gepäckband leider feststellen, dass euer Koffer nicht aufzufinden ist. Ihr habt euch dann sofort an Ryanair gewendet. Dort wurde euch eine Schadensmeldung gereicht und geraten den Schaden umgehend anzuzeigen. Bis zum heutigen Zeitpunkt habt ihr keine Rückmeldung seitens der Ryanair erhalten. Ihr fragt euch nun, ob ihr Ansprüche geltend machen könnt. Dabei beschäftigt euch besonders der Umstand, dass der Koffer auf dem Rückweg verloren gegangen ist und ein Nachkauf, wie er auf dem Hinflug möglich ist, daher ausscheiden könnte. Trotzdem möchtet ihr ggf. Schadensersatz fordern, da der Koffer, inklusive Inhalt, weg ist.
I. Anspruchgrundlage
Dein Gepäck könnte verloren gegangen sein. Ein Verlust des Frachtgutes ist gegeben, wenn es untergegangen, unauffindbar oder aus sonstigen tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen vom Frachtführer auf absehbare Zeit nicht an den berechtigten Empfänger ausgeliefert werden kann, der Frachtführer also die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Gut verloren hat. Im Fall eines solchen Gepäckverlustes ist Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens einschlägig.
Art. 17 Tod und Körperverletzung von Reisenden - Beschädigung von Reisegepäck
„(2) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzten, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Der Luftfrachtführer haftet jedoch nicht, wenn und soweit der Schaden auf die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurückzuführen ist. Bei nicht aufgegebenem Reisegepäck, einschließlich persönlicher Gegenstände, haftet der Luftfrachtführer, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute zurückzuführen ist.“
In deinem Fall nehme ich an, dass dich kein Mitverschulden trifft und auch sonst kein Haftungsausschlussgrund seitens des Luftfrachtführers besteht. Zudem ist wohl anzunehmen, dass der Verlust zu einem Zeitpunkt eintrat, zu dem sich das Gepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Mithin ist dein Gepäck als verloren gegangen anzusehen und Art. 17 Abs. 2 MÜ einschlägig. Die entsprechenden Voraussetzungen liegen vor.
II. Frist
Der Verlust des Koffers ist unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, anzuzeigen.
III. Problematik des Rückfluges
Da der Koffer nicht verspätet ankam, sondern wirklich verloren gegangen ist, ist es meiner Ansicht nach unerheblich, dass dies auf dem Rückflug geschehen ist. Von Bedeutung ist, ob dir ein Schaden entstanden ist. Wenn du diesen fristgerecht anzeigst und sich die Fluggesellschaft nicht exkulpieren kann, hast du einen Anspruch auf Schadensersatz. Unter Schaden versteht man insbesondere materielle Schäden, die das Gepäck betreffen. Darunter fallen sowohl der Koffer, als Transportgegenstand, als auch der Inhalt dessen. Demnach besteht meiner Meinung nach keine „Rückflugproblematik“. Ein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 17 Abs. 2 MÜ müsste somit bejaht werden.
IV. Haftungshöchstgrenze nach Art. 22 MÜ
Die Haftungsobergrenze berechnet sich nach Sonderziehungsrechten. Diese Sonderziehungsrechte sind eine künstliche Währung, welche derzeit bei einer Haftungsobergrenze von 1131 Sonderziehungsrechten liegt. Dies entspricht etwa 1350 Euro. Somit ist die maximale Höhe eines Schadensersatzanspruches. Dies gilt pro Fluggast und nicht pro Gepäckstück.
Den aktuellen Umrechnungskurs findest du hier:
http://www.xe.com/de/currencyconverter/convert/?Amount=1131&From=XDR&To=EUR
V. Gerichtsstand
Zuletzt möchte ich noch kurz die Problematik des Gerichtstandes ansprechen. Bezüglich des Gerichtsstandes von Ryanair gab es nämlich eine Entscheidung, welche dich interessieren könnte. Hier geht es zwar nicht um eine Gepäckverspätung, aber die Problematik des Gerichtstandes kommt hinreichend zur Geltung.
LG Lübeck, Urteil vom 22. April 2010 Az. 14 S 264/09 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google „reise-recht-wiki LG Lübeck 14 S 264/09“ eingibst)
In diesem Fall hat das Landgericht entschieden, dass das Amtsgericht deutsches Recht angewendet hat. Es ging dabei um eine deutsche Familie, die von Dublin über London noch Lübeck fliegen wollte. Wegen einer Verspätung des Fluges von Dublin nach London, haben sie ihren Anschlussflug verpasst und mussten sich dann selbst um eine Alternative bemühen, da Ryanair erst 3 Tage später einen Alternativflug anbieten konnte. Das Gericht entschied hier, dass irisches Recht anwendbar sei. Gemäß Art. 28 EGBGB unterliege der Beförderungsvertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste Verbindung aufweise. Das sei aufgrund der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB Irland, weil die Beklagte dort ihren Sitz habe.
Grundsätzlich ist der Gerichtsstand Ort, an dem die Fluggesellschaft ihren Sitz hat.
Folgendes Urteil des EuGH ist jedoch deutlich Fluggastfreundlicher und geht dem eben genannten Urteil vor:
EuGH, Urteil vom 09.07.2009 Rs. C-204/08 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google „EuGH C-204/08 reise- recht-wiki“ eingibst)
Hier entschied das Gericht, dass den Fluggästen, die Fluggesellschaften wegen Ansprüchen aus Annullierung, Umbuchung oder Überbuchung verklagen wollen, nun zusätzlich zu den bisherigen Gerichtsständen, auch die Gerichte des Abflugsortes und des Ankunftsortes zur Verfügung stehen. Der Fluggast kann nunmehr wählen, wo er die Airline in Anspruch nehmen will. Entweder am Ort der Hauptniederlassung der Fluggesellschaft, am Ort des Ankunftsflughafens, am Ort des Abflughafens oder am Ort der Zweigniederlassung der Fluggesellschaft.
Dieses Urteil ermöglicht somit auch dir ein weiteres Spektrum an Möglichkeiten, wo du die Fluggesellschaft zur Verantwortung ziehen kannst.
VI. Fazit
Meiner Ansicht hast du gemäß Art. 17 Abs. 2 MÜ einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des verloren gegangenen Koffers. Die Höhe des Anspruches ist einzelfallabhängig und bemisst sich an dem dir entstandenen Schaden, wobei die Haftungshöchstgrenze des Art. 22 MÜ nicht überschritten werden kann. Falls Ryanair weiterhin nicht reagiert, dürfe das Heranziehen eines Anwaltes sinnvoll erscheinen.