Lieber Fragesteller,
Sie waren ebenfalls eine der betroffenen Passagiere, die aufgrund des Streiks der TuiFly-Mitarbeiter nicht ihren ursprünglich gebuchten Flug wahrnehmen konnten. Daraufhin wurden Sie auf eine Maschine am nächsten Tag umgebucht, kamen allerdings trotzdem 17, 5 Stunden später als geplant in Mallorca an. Als Entschädigung hat Tuifly Ihnen lediglich 70 Euro versprochen.
Hintergrund der ganzen Sache war die steigende Anzahl von Krankmeldungen des Tuifly-Personals im Herbst 2016. Der Grund dafür war wahrscheinlich das Unverständnis der Mitarbeiter über Umstrukturierungsmaßnahmen die seitens der Leitung des Unternehmens in Planung waren.
Infolgedessen kam es zu mehreren Klagen aufgrund unzufriedener Fluggäste, die ihre Rechte aus der europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004 geltend machen wollten.
Nun verhandelte vergangenen Monat der EuGH in den Rechtssachen C-195/17 sowie C-292/17 über die Frage, ob ein „wilder Streik“ als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 III der europäischen Fluggastrechteverordnung gewertet werden kann. Denn wenn ein solcher Umstand vorliegt, so muss das Luftfahrtunternehmen keine Entschädigungszahlungen nach Art. 7 der Verordnung an die Passagiere zahlen, wenn sich der Umstand auch nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Problematisch ist, dass solche wilden Streiks eigentlich rechtlich unzulässige Maßnahmen darstellen. Tuifly steht hier vor dem Problem der Beweisführung. Zwar sprechen die Indizien der zahlreichen Krankschreibungen für einen solchen wilden Streik, doch muss man bis zum Beweis des Gegenteils von einer Krankheit der betroffenen Personen ausgehen.
Auch in der Instanzrechtsprechung gab es einige Uneinigkeiten, wie Sie den folgenden Urteilen entnehmen können:
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2017, Az.: 29 C 3361/16 (40)
Meldet sich ein erheblicher Teil des Flugpersonals krank, stellt dies unabhängig davon, ob dies als "Wilder Streik" oder tatsächliche Fluguntauglichkeit zu bewerten ist, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung dar. Ist ein Fluggast davon in Form einer Flugannullierung betroffen, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO.
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.03.2017, Az.: 31 C 117/17 (16)
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund massenhafter angeblicher Krankmeldungen des Flugpersonals, so kann sich die Airline nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.
Wie der EuGH diese Rechtslage nun bewerten wird ist schwer zu sagen.
Denn einerseits muss ein außergewöhnlicher Umstand aus den normalen betrieblichen Abläufen eines Luftfahrtunternehmens herausstechen. Andererseits kommt es auch immer auf den Einzelfall an.
Sie könnten theoretisch ebenfalls Klage einreichen, dann aber möglicherweise auch ohne Erfolg. Eine andere Möglichkeit wäre abzuwarten wie sich der EuGH in den kommenden Wochen äußern wird. Allerdings sollten Sie dazu die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren gem. §195 BGB beachten.
Generell könnte Ihnen je nach Entfernung ein Anspruch zwischen 250 Euro bis 600 Euro pro Person zustehen. Bei der Strecke München – Mallorca wären das wohl 250 Euro.