Zu dem Ärger den man bei einer Gepäckverspätung bzw. einem Gepäckverlust hat kommt nicht selten auch der Ärger mit der Fluggesellschaft hinzu. Oft liegt der Verdacht nahe, dass es sich dabei nur um Verzögerungstaktik handelt, um den Kunden auszulaugen oder in den Wahnsinn zu treiben.
Die Frage, wie lange die Fluggesellschaft also berechtigt ist, sich einem Schadensfall nicht anzunehmen, ist daher durchaus berechtigt. Um sie jedoch beantworten zu können muss zunächst geklärt werden, welche Ansprüche man bei einem Gepäckverlust hat und welche Frist- und Formanforderungen der Reisende selbst einzuhalten verpflichtet ist, bevor dann auch geklärt werden kann, welches Verhalten man von der Fluggesellschaft selbst erwarten kann.
1.) Ansprüche bei einem Gepäckverlust
Mit Vertragsschluss verpflichtet sich die Fluggesellschaft das aufgegebene Gepäck mängelfrei zu transportieren. Kann die Fluggesellschaft dieser Pflicht nicht nachkommen, geht das Gepäck also verloren, wird beschädigt, oder kommt verspätet an, so kann der Passagier nach Art. 17 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 des Montrealer Übereinkommens Ersatz des entstandenen Schadens verlangen.
Darunter fallen für gewöhnlich:
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Schaden am Koffer und an dessen Inhalt bei Beschädigung
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Wert des Koffers und des Inhalts, wenn der gesamte Koffer verloren geht
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Kosten für Ersatzgarderobe und andere Noteinkäufe
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Etc.
2.) geltende Fristen
Die Festgestellten Schadenspositionen müssen auch fristgerecht angezeigt werden, und die daraus resultierenden Ansprüche geltend gemacht werden. Bei Missachtung dieser Fristen kann eine Klage gegen den Luftfrachtführer ausgeschlossen werden.
Bei einer Beschädigung gilt, dass der Schaden unverzüglich der Fluggesellschaft mitgeteilt werden muss. In der Regel wird der Schaden dann durch ein Schadensprotokoll festgehalten. Die Aufgabe eines Schadensprotokolls dient der Beweissicherung und steht im Allgemeinen einer Schadensanzeige gleich. Der Schaden muss dann nicht erneut angezeigt werden (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 15.04.2011, Az.: 30 C 2662/10 (47)).
Anders hingegen sieht es bei einem Gepäckverlust aus: Der Verlust von Gepäck sollte dem Luftfrachtführer selbst auffallen, wodurch eine Anzeige unnötig wird. Dennoch kann die Anzeige von fehlendem Gepäck dem Passagier nützen; in manchen Fällen stellt die Fluggesellschaft einen gewissen Betrag zur Verfügung, um die ersten Noteinkäufe zu tätigen. Auf den späteren Anspruch auf Ersatz der Unkosten für diese Noteinkäufe ist dieser Vorschuss dann entsprechend anzurechnen.
Muss man dann für einen Schadensersatzanspruch bezüglich des Gepäcks ewig warten? Nein – nach Ablauf von 21 Tagen, nachdem das Gepäck eigentlich hätte ankommen müssen, kann man als Betroffener seine Rechte gegen die Fluggesellschaft geltend machen.
3.) Formansprüche – Notwendigkeit und Umfang von Belegen?
Nach Art. 31 Abs. 3 Montrealer Übereinkommen muss jede Beanstandung/ Schadensanzeige schriftlich erklärt werden.
Das Schrifterfordernis dient der Beweisbarkeit der Schadensanzeige. Auf die Beweisbarkeit wirkt es sich nicht schädigend aus, wenn die Anzeige nicht unterschrieben wird oder per Mail übermittelt wird. Da eben die Schadensanzeige per Mail zulässig ist, kann auf Originale verzichtet werden. Dabei muss nicht jeder Schadensposten detailliert beschrieben werden. Konkrete Angaben über die Art der Beschädigung und den Schadensumfang reicht aus (Tatsachenermittlung).
Bei einem Kofferverlust sollte also aufgezählt werden, was sich im Koffer befand (und unterstützungsweise welchen Wert bestimmte Gegenstände schätzungsweise besaßen). Die Beifügung von Belegen und Quittungen, sofern möglich, unterstützt die Forderung natürlich, ist jedoch nicht zwingend notwendig. Hält der Luftfrachtführer die Schadensersatzforderung für zu hoch berechnet, kann er im Streitfall vor Gericht zur endgültigen Klärung die Vorlage von Belegen oder die Hinzuziehung eines Gutachters fordern. Unter Würdigung aller Umstände setzt dann das Gericht die Schadenshöhe fest.
Zu beachten ist jedoch, dass gerade bei Noteinkäufen von dem Reisenden im Streitfall verlangt werden kann, die Belege zu sammeln und vorzulegen. Unter den besonderen Umständen, unter welchen der Reisende mit dem Ersatz der entstandenen Kosten rechnen darf, kann von ihm auch verlangt werden, die Quittungen aufzubewahren. Anderenfalls erfolgt die Ersatzberechnung unter der Orientierung an den gewöhnlichen Ausgaben für Noteinkäufe.
4.) Bewertung und Folgen eines Verzögerungsverhaltens der Fluggesellschaft
Eine Verzögerung des Falls durch die Fluggesellschaft ist ärgerlich, liegt aber außerhalb des Eingriffsbereiches der meisten Reisenden. Da hilft nur eines: Konsequent bleiben und durchhalten.
Bei berechtigten Ansprüchen des Passagiers bringt eine lange Bearbeitungszeit dem Anspruchsgegner nichts. Selbst wenn es zu einer Fristversäumnis durch das Verhalten der Fluggesellschaft kommt, so kann diese dann der Fluggesellschaft entsprechend zugeschrieben werden und kommt mangels eines schuldhaften Versäumnisses des Anspruchstellers nicht zum Tragen.
Zum weiteren Vorgehen sollte nach Übersendung aller wichtigen Dokumente (Flugschein, Bordkarte, Gepäckschein, Kontoverbindungsdaten, Schadensanzeige bzw. Beschreibung des Schadens, etc.) die Fluggesellschaft zunächst zur Schadensersatzzahlung aufgefordert werden.
Erfolgt die Zahlung nicht, so kann eine Aufforderung erneut, nun unter Setzung einer angemessenen Frist (ausreichend sind 2 Wochen), erfolgen.
Nach Ablauf dieser Frist befindet sich der Anspruchsgegner, die Fluggesellschaft, in Verzug. Dem Betroffenen steht infolgedessen der Weg zum Gericht offen, wobei die Fluggesellschaft dann auch die entstandenen Rechtsanwaltskosten übernehmen muss.
So auch in AG Hamburg, (Teil-)Urteil vom 10.01.2006, Az. 18B C 329/05 – es handelte sich hier um einen Fall der Selbstvertretung eines Rechtsanwaltes gegen die Fluggesellschaft. Die Honorarrechung musste die Fluggesellschaft auch in diesem Fall begleichen.
5.) die Rolle der Reisegepäckversicherung
Nach Abschluss einer Reisegepäckversicherung verändert sich die Rechtslage.
Der Reisende kann zwar immer noch Schadensersatz für den Gepäckschaden (Beschädigung, Zerstörung, Verspätung oder Verlust) verlangen, doch richtet sich dieser Anspruch dann zunächst nach dem Versicherungsvertrag.
Zunächst verändert sich die Person des Anspruchsgegners: Grundsätzlich kann derselbe Schaden nicht gegenüber mehreren Parteien geltend gemacht werden. D. h. entweder kommt der Versicherungsgeber für die beispielhafte Verspätung auf, oder der Luftfrachtführer. Die verloren gegangene Kosmetiktasche im Wert von 50 € ersetzt entweder die Versicherungsgesellschaft, oder die Fluggesellschaft. In keinem Fall kann zweimal 50 € verlangt werden.
Üblicher Weise gehen mit Abschluss der Gepäckversicherung alle Ansprüche gegen die Fluggesellschaft im Schadensfall auf den Versicherungsgeber über, gegen welchen der Reisende dann wiederum Ansprüche geltend machen kann.
(vgl. dazu AG Köln, Urteil vom 14.07.2009, Az. 134 C 103/09)
Im Schadensfall ist dann der Versicherungsgeber der erste Ansprechpartner, sofern der erlittene Schaden tatsächlich von den Vertragsvereinbarungen erfasst ist. Bei einer Gepäckverspätung beispielsweise ist der Luftfrachtführer Anspruchsgegner, wenn die abgeschlossene Gepäckversicherung nur eine Gepäckbeschädigung oder eine Gepäckzerstörung deckt.
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