Hallo,
dein Rückflug von Boa Vista hatte 5 Stunden Verspätung, was wirklich sehr ärgerlich ist. Nun fragst du dich, vor welchem Gericht du deine Ansprüche durchsetzen kannst, weil die Hauptsitze von TUI, TUIfly und auch der Abflugort unterschiedlich sind.
Passend zu deiner Frage, gibt es hier im Forum bereits einen ähnlichen Fall, der auch schon beantwortet wurde:
Bei welchem Gericht sind Reiseveranstalter und Fluggesellschaft zu verklagen wenn beide wegen Flugverspätung in Anspruch genommen werden?
Auch hier wurde gefragt, an welchem Gericht die Ansprüche durchzusetzen sind.
Es ist allerdings von Bedeutung, gegen wen du die Ansprüche geltend machen willst.
Hierfür habe ich ein Urteil des OLG Frankfurt gefunden. In diesem Urteil wurde sowohl die Fluggesellschaft, als auch der Reiseveranstalter verklagt. Du kannst das Urteil einfach finden, indem du auf Google „11 AR 142/12 reise-recht-wiki.de“ eingibst:
OLG Frankfurt, Urt. v. 30.07.2012, Az: 11 AR 142/12
Der Gerichtsstand ist am Abflugsort festgelegt, wenn das Luftfahrtunternehmen und der Reiseveranstalter gemeinsam in Anspruch genommen werden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied, dass der Gerichtsstand davon abhängt, ob nur ein Luftfahrtunternehmen oder Reiseveranstalter auf Schadensersatz oder sonstige Ansprüche in Anspruch genommen, werden oder beide gemeinsam. Wird nur einer in Anspruch genommen, so darf der Kläger den Gerichtsstand frei wählen zwischen dem jeweiligen Firmensitz der Beklagten oder seinem eigenen Wohnort. Werden jedoch sowohl der Reiseveranstalter, als auch das Luftfahrtunternehmen gemeinsam in Anspruch genommen so ist der Gerichtsstand am Abflugort.
Da du allerdings eine Reisepreisminderung und eine Ausgleichszahlung gerichtlich veranlassen möchtest, gehe ich davon aus, dass du sowohl TUI, als auch TUIfly verklagen willst.
Normalerweise wird die Zuständigkeit des Gerichts von der Europäischen Gemeinschaft in Verordnungen geregelt. Allerdings ist hier eine kleine Lücke, weshalb hier nationales Recht angewendet wird. In diesem Fall also § 269 BGB:
(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
Dieser Paragraf regelt den Erfüllungsort. Laut BGB liegt der Erfüllungsort sowohl für TUIfly, als auch für TUI in Hannover, wo der Abflugort ist.
Eine weitere wichtige Frage ist, ob du auch einen Anspruch auf Reisepreisminderung und Ausgleichszahlung hast.
Zunächst einmal gehe ich auf den Ausgleichsanspruch aus Artikel 7 der Europäischen Fluggastrechteverordnung ein:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt
Dieser Artikel greift bei Verspätungen von 3 Stunden oder mehr. Nun hattest du eine Verspätung von 5 Stunden, weshalb dir eine Ausgleichszahlung zusteht. Die Strecke Boa Vista – Hannover beträgt mehr als 3.500 km, weshalb dir nach der Verordnung ein Anspruch auf 600€ zusteht.
Nun zur Reisepreisminderung:
Voraussetzung für eine Minderung ist ein Reisemangel. Ein Reisemangel definiert sich als das Vorhandensein eines Fehlers oder das Nichtvorhandensein einer zugesicherten Eigenschaft. Die Definition und weiter Informationen findest du hier. Wichtig sind hier die §§ 651 c, d BGB:
§ 651 c
(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
§ 651 d
(1) Ist die Reise im Sinne des § 651c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.
Der Flug nach Boa Vista war Bestandteil der Leistung des Reiseveranstalters und somit auch Vertragsbestandteil. Teil des Fluges sind auch die Abflugzeiten, die sich in deinem Fall um 5 Stunden nach hinten verschoben haben, ohne dass du informiert wurdest. Ich würde das als Reisemangel bewerten.
Demnach hast du einen Anspruch auf Reisepreisminderung.
Da du die Ansprüche vor Gericht geltend machen willst, rate ich dir, zuvor mit einem Anwalt zu sprechen. Er kennt sich mit der Bewertung der Einzelfälle besser aus und kann beurteilen, ob und welche Ansprüche dir genau zustehen und auch wie hoch etwa die Erfolgschancen sind.