Sie haben einen Flug von Stuttgart nach Berlin mit EasyJet gebucht.
Auf diesem Flug kam es jedoch zu einer Verspätung. Sie sind der Meinung, dass diese mehr als 3 Stunden betrug, während EasyJet angibt, dass Sie mit einer Verspätung von unter 3 Stunden angekommen sind. Sie fragen sich nun, wen die Beweislast für die Verspätung trifft und ob Sie einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben.
Ansprüche aus der VO Nr. 261/2004 ergeben sich dann, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt. In einem solchen Fall können ergeben sich diese dann aus Artikel 5 EU-VO:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Eine Annullierung liegt in Ihrem Fall nicht vor, da der Flug ja lediglich verspätet ankommen ist. Es könnte aber eine große Verspätung vorliegen. Maßgeblich ist dafür nicht wann der Flug losgeflogen ist, sondern wann er angekommen ist:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: „Az.: C-452/13 8 reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Entscheidend ist also, wann sich die Türen des Flugzeuges geöffnet haben. Ist das mit einer Verspätung von mehr als 3 Stunden passiert, haben Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Dazu folgende Urteile:
EuGH, Urt. v. 19.10.2007, Az: C-402/07 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: C-402/07 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Europäische Gerichtshof hat dem Kläger Recht zugesprochen. Gemäß Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung stehe Fluggästen bei einer Abflugverzögerung von mehr als 3 Stunden eine Ausgleichszahlung zu.
LG Frankfurt, Urt. v. 26.07.2013, Az: 2-24 S 47/12 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 2-24 S 47/12 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Es ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslösen.
Nach diesen Urteilen lässt sich davon ausgehen, dass erst eine Verspätung von mindestens 3 Stunden eine große Verspätung darstellt und damit Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung begründet. Nun ist aber in Ihrem Fall problematisch, dass Sie sich mit der Fluggesellschaft nicht einig sind, ob eine Verspätung von 3 Stunden vorlag oder nicht. Sie fragen sich, wer die Beweislast trifft. Dazu konnte ich folgendes Urteil finden:
AG Frankfurt, Urt. v. 09.12.2016, Az: 30 C 2528/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 30 C 2528/16 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Ein Reisender buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil dieser mit einer Verspätung von 3 Stunden und 25 Minuten am Zielflughafen ankam, verangt er nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.
Die Airline weigert sich der Zahlung. Für die Begründung eines solchen Ausgleichsanspruchs sei der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich die Flugzeugtüren öffneten. Da dies bereits vor Vollendung der 3-Stunden-Marke geschah, entfalle ein Anspruch des Klägers.
Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Darlegungs- und Beweislast zur Anspruchsbegründung treffe grundsätzlich den Fluggast. Da dieser auf den genauen Zeitpunkt der Türöffnung jedoch keinen Einfluss habe und die Tür außerhalb seines Sichtfelds liege, ist für den Kläger stets der Zeitpunkt maßgeblich, in dem er die Maschine verlassen konnte.
Das Urteil besagt, dass Sie als Fluggast zwar die Beweislast tragen. Allerdings ist für Sie der Zeitpunkt maßgeblich, an dem Sie das Flugzeug verlassen haben. Bestand zu diesem Zeitpunkt eine Verspätung von mehr als 3 Stunden, haben Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen.
Dieses stellt jedoch nur eine Rechtseinschätzung dar, weshalb es für Sie sinnvoll sein könnte, einen Fachanwalt für Reiserecht einzuschalten.