Guten Tag,
ob Sie letztendlich einen Anspruch auf die Ausgleichszahlung haben, lässt sich mangels genauer Informationen durch die Swiss noch nicht sagen. Zumindest aber kann man dies nicht von vornherein ausschließen, so wie Lufthansa bzw. Swiss es hier versuchten.
Es stimmt zwar, dass die EU-Fluggastrechteverordnung grundsätzlich nur innerhalb der EU gelten soll, allerdings wurde in zusätzlichen Abkommen mit der Schweiz vereinbart, dass der Geltungsbereich des Abkommens auf die Schweiz ausgedehnt wurde. Flüge aus der Schweiz sind somit genauso zu behandeln wie Flüge aus EU-Staaten.
Doch selbst wenn dies anders wäre, könnte Ihr Anspruch so nicht ausgeschlossen werden. Denn der Flug, der letztendlich immer weiter verzögert wurde, war Ihr Flug nach Zürich. Ich gehe davon aus, dass dieser Flug in Deutschland (oder einem anderen EU-Staat) abgehoben ist. Dann ist die EU-Fluggastrechteverordnung auf jeden Fall anzuwenden, unabhängig davon, wo das Ziel des Fluges liegt. Der Flug, der aus der Schweiz heraus ging (und auf den sich Swiss hier beruft), war jedoch weder verspätet noch anderweitig betroffen, auf diesen Flug kommt es also gar nicht an.
Ob Sie nun einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, hängt ganz wesentlich davon ab, weswegen Ihr Zubringerflug verspätet war. Grundsätzlich muss bei einer Verspätung ab drei Stunden die Ausgleichsleistung erbracht werden. Erheblich ist dabei die Verspätung am Zielort der gesamten Flugstrecke (hier: Boston), weswegen die drei Stunden in Ihrem Fall erheblich übertroffen sind.
Die Ausgleichszahlung muss jedoch dann nicht erbracht werden, wenn außergewöhnliche Umstände dazu führten, dass der Flug verspätet war. Was außergewöhnliche Umstände sind, ist gerichtlich in vielen Fällen beispielhaft entschieden worden. So können als außergewöhnliche Umstände etwa Sabotage am Flugzeug, Streiks der Flughafenmitarbeiter oder ungünstige Wetterbedingungen gelten. Gründe, die im Verantwortungsbereich der Airline stehen, begründen hingegen regelmäßig keine außergewöhnlichen Umstände – hierzu zählen etwa Defekte am Flugzeug oder Ausfall der Crew des Fluges. Der häufig von Airlines ins Feld geführte „unerwartete Flugsicherheitsmangel“ kann ebenfalls keinen außergewöhnlichen Umstand begründen.
Sollte Swiss sich nicht zu den Gründen geäußert haben, verlangen Sie die Ausgleichszahlung so lange weiter, bis Swiss die Ausgleichszahlung entweder erbringt oder sich zu den Gründen der Verspätung äußert.
Ihr Anspruch richtet sich hier nur gegen Swiss, da Sie Ansprüche immer gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen richten müssen.
Urteile:
BGH, Beschluss vom 09.04.2013, Az X ZR 105/12
(zu finden über die Google-Suche „X ZR 105/12 reise-recht-wiki“)
Der BGH legte dem EuGH die Frage vor, ob die EU-Fluggastrechteverordnung auch auf Flüge aus der Schweiz heraus anwendbar sei. Der BGH selbst bejaht diese Frage bis zu einer Entscheidung des EuGH, weswegen zumindest im Moment davon ausgegangen werden kann, dass deutsche Gerichte zum gleichen Ergebnis kommen würden.
AG Köln, Urteil vom 10.03.2010, Az 132 C 304/07
(zu finden über die Google-Suche „132 C 304/07 reise-recht-wiki“)
Ein außergewöhnlicher Umstand, der eine Airline von der Last einer Ausgleichszahlung befreien würde, muss gut begründet werden. Insbesondere muss eine Airline darlegen, dass es ihr unmöglich war, den Flug noch stattfinden zu lassen. Führt eine Airline lediglich einen „unerwarteten Flugsicherheitsmangel“ ohne weitere Erläuterungen an, so hat sie ihrer Begründungspflicht nicht Genüge getan und muss die Ausgleichszahlung erbringen.
LG Berlin, Urteil vom 15.10.2013, Az 54 S 22/13
(zu finden über die Google-Suche „54 S 22/13 reise-recht-wiki“)
Wenn eine (auch nur geringe) Flugverspätung dazu führt, dass Passagiere einen anschließenden Flug verpassen und so mit großer Verspätung an ihrem Ziel ankommen, so können sie eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung verlangen. Denn entscheidend ist nicht die Höhe der Verspätung an einem Zwischenflughafen, sondern nur die Verspätung am eigentlich zu erreichenden Ziel.