Lieber Fragesteller,
Du hattest mit der Condor einen Flug von Frankfurt in die Dominikanische Republik gebucht. Leider kam es am Abreisetag zu Verzögerungen, sodass du erst mit einer Verspätung von 5 Stunden an deinem Zielflughafen gelandet bist. Du fragst dich nun, ob du einen Anspruch geltend machen kannst und wie du am besten vorgehen solltest.
Es kommen Ansprüche aus der Fluggastrechte Verordnung in Betracht.
1. Anspruchsgrundlage gemäß Art 7 VO
Die Verordnung (VO) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 stellt eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen dar.
Folgende Preistabelle könnte dich interessieren:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Du bist mit einer Verspätung von 5 Stunden in der DomRep gelandet, daher sollte dir ein Anspruch auf 600 Euro zustehen.
2. Haftungsausschluss gemäß Art. 5 Abs. 3 VO
Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung könnte jedoch ausscheiden, wenn die Fluggesellschaft sich gemäß Art. 5 Abs. 3 VO exkulpieren kann, also nicht haften muss.
Art. 5 Abs. 3 VO, Annullierung
„(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
Besonders wichtig ist, dass die Airline eine Nachweis-und Darlegungspflicht trifft. Des Weiteren ist das Tatbestandsmerkmal des außergewöhnlichen Umstandes stets kritisch zu hinterfragen.
a) Nachweispflicht
Bezüglich der Nachweisepflicht ist folgendes Urteil interessant:
AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (auch ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 reise-recht-wiki.de")
In diesem Urteil wird noch einmal hervorgehoben, dass die Fluggesellschaft substantiiert vortragen und darlegen muss , wie es zu dem außergewöhnlichem Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte.
b) außergewöhnlicher Umstand
Ein außergewöhnlicher Umstand kann grundsätzlich immer dann angenommen werden, wenn ein Vorkommnis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern sich außerhalb dessen bewegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. In deinem Fall wurde ein technischer Defekt angegeben. Ein solcher technischer Defekt ist jedoch laut der Rechtsprechung nur äußerst selten als außergewöhnlicher Umstand zu verstehen. Dies liegt daran, dass da der Flugbetrieb technische Probleme prinzipiell mit sich bringt. Daher sehen sich Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit gewöhnlich solchen Problemen gegenübergestellt.
Folgende Urteile könnten dich im Zuge dessen interessieren:
EuGH, Urteil vom 17.09.2015 Az. C-257/14 (Das ist ein äußerst aktuelles und interessantes Thema im Bereich der Fluggastrechte. Ganz einfach zu finden, wenn du „EuGH C 257/14 bei reise-recht-wiki“ eingibst)
Hier hat der EuGH noch einmal deutlich herausgearbeitet, dass ein technischer Defekt nur in Ausnahmefällen einen außergewöhnlichen Umstand darstellt.
EuGH vom 22.12.2008, C 549/07 (einfach zu finden bei Google unter "C 549/07 reise-recht-wiki")
Hier hat der Gerichtshof entschieden, dass ein auftretendes technisches Problem am Flugzeug, nur dann unter den Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" zu subsumieren sei, wenn das Problem auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung sind.
So auch:
LG Darmstadt, Urteil vom 16. April 2014 – 7 S 161/13 (auch ganz einfach zu finden unter „LG Darmstadt 7 S 161/13 reise-recht-wiki“)
Entscheidend sei laut des Gerichtes, ob das zugrunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstelle oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen sei.
Auf Grund der genannten Urteile nehme ich an, dass die Möglichkeit besteht, dass auch in deinem Fall kein außergewöhnlicher Umstand vorlag und die Fluggesellschaft sich daher nicht exkulpieren kann. Der Anspruch auf 600 Euro (pro Person) sollte dir daher zustehen.
3. Weiteres Vorgehen
a) Durchhaltevermögen
Häufig ist es leider so, dass die Fluggesellschaft gar nicht, oder mit Ablehnung reagieren. Daher muss hier Durchhaltevermögen bewiesen werden. Eine Studie hat erst neulich aufgezeigt, dass die Fluggesellschaften nur einen Bruchteil von dem zahlen, wozu sie eigentlich verpflichtet wären. Für viele Fluggäste stellt der Gang zum Anwalt die erste große Hemmschwelle dar.
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