Lieber Fragesteller,
du hast mit KLM einen Flug gebucht, welcher von Verzögerungen geprägt war. Dein Flug von CUR nach AMS am 06.06.2016 wurde aufgrund eines technischen Problems um 26 Stunden verschoben. Es wurde daraufhin eine neue Abflugzeit herausgegeben, welche sich wiederum um 4 Stunden verzögerte. Du fragst dich, ob du 2 mal 600 Euro pro Person geltend machen kannst, da du ja unter 2 Verzögerungen hast leiden müssen.
Wie du wahrscheinlich selbst schon festgestellt hast, kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung geltend machen. Es ist in deinem Fall auch belanglos, ob du von einer erheblichen Verspätung oder einer Annullierung betroffen warst, da das Ergebnis gleich bleibt. Aufgrund der Entfernung und der immensen Verspätung, steht dir grundsätzlich ein Anspruch auf 600 Euro zu.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich KLM der Haftung gemäß Art. 5 III VO versuchen wird, zu entziehen.
Art. 5 Abs. 3 VO, Annullierung
„(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
Der Art. 5 Abs. 3 VO verdeutlicht also zunächst, dass die Fluggesellschaft die Nachweispflicht, für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes, trifft. Kann sie dies nicht nachweisen, haftet sie im vollen Umfang.
AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 reise-recht-wiki.de")
In diesem Urteil wird noch einmal hervorgehoben, dass die Fluggesellschaft substantiiert vortragen und darlegen muss , wie es zu dem außergewöhnlichem Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte.
Des Weiteren müssten die technischen Probleme einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO darstellen. Ein außergewöhnlicher Umstand ist zu bejahen, wenn ein Ereignis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern außerhalb dessen liegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Vorfälle erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Technische Probleme sind im Regelfall nicht als außergewöhnliche Umstände anzusehen, da diese zum Alltag der Fliegerbranche gehören.
Dazu ein paar interessante Urteile:
AG Köln, Urteil vom 05.04.2006, Az. 118 C 595/05 (einfach zu finden bei Google unter "AG Köln 118 C 595/05 reise-recht-wiki.de")
In diesem Urteil wurde ein technischer Defekt als außergewöhnlicher Umstand verneint. Das Gericht kam zu dem Entschluss, dass die Behauptung, dass streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, zu pauschal sei, um den Haftungsausschluss gemäß Artikel 5 Abs.3 VO bewirken zu können.
EuGH vom 22.12.2008, C 549/07 (auch einfach zu finden bei Google unter "EuGH C 549/07 reise-recht-wiki.de")
Hier hat das Gericht entschieden, dass ein auftretendes technisches Problem am Flugzeug, nur dann unter den Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" zu subsumieren seien, wenn das Problem auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung sind.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36)(ganz einfach zu finden, wenn du bei Google eingibst “ AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki.de“)
Das Gericht verdeutlicht mit diesem Urteil, dass die "außergewöhnlichen Umstände" außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen müssen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Sabotage oder terroristische Handlungen Ursache des technischen Defektes sind.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 05.07.2013, Az: 3 C 145/13 (37) (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst " AG Rüsselsheim 3 C 145/13 (379 „reise-recht-wiki“)
Hier hat das AG Rüsselsheim festgestellt, dass ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 gilt nur für den konkreten Flug gelte und daher nicht von vorherigen Flügen auf einen späteren übertragen werden könne.
Leider kann ich deinen Angaben keine genauen Informationen zu dem Verspätungsgrund entnehmen. Es ist gut möglich, dass die Fluggesellschaft dich über dir näheren Umstände informiert, falls sie sich auf einen Haftungsausschluss berufen möchte. Häufig antworten Fluggesellschaften standardmäßig auf Forderungen der Fluggäste mit einem solchen Schreiben, in welchem sie sich auf einen Haftungsausschluss beruft. Häufig ist dies jedoch nur ein „guter Versuch“ der Fluggesellschaften, um die Fluggäste abzuwimmeln. Falls dies auch bei dir der Fall sein sollte, würde ich dir empfehlen dran zu bleiben und gegebenenfalls mit einem Anwalt zu drohen. Meiner Ansicht nach steht dir (und deiner Begleitperson) ein Anspruch zu, welchen du auch geltend machen solltest.
Bezüglich der Frage, ob du den Anspruch ein oder zweimal geltend machen kannst, tendiere ich zu ersterem. Art. 7 VO soll den Fluggast für die entstandenen Unannehmlichkeiten entschädigen, welche den gebuchten Flug betreffen. Du hast du einen Flug gebucht, weshalb ich denke, dass du auch nur einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen (pro Person) geltend machen kannst.
Ich hoffe ich konnte dir etwas weiterhelfen und wünsche dir viel Erfolg bei deinem weiteren Vorgehen.