Hallo Maggie,
du hast einen Flug von Frankfurt/Hahn nach Valencia am 15.09.2016 mit Rynair gebucht.
Zunächst konnten auch alle Passagiere das Flugzeug betreten , der Start verzögerte sich aus mehreren Gründen jedoch immer weiter. Letzenendes wurde der Flug dann auch komplett annulliert.
Du fragst dich nun, welche Rechte du gegen Ryanair geltend machen kannst. Im Falle einer Annullierung ergeben sich mögliche Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 ( ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: "EuGH C-83/10 reise-recht-wiki.de“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Art. 5 VO Annullierung (gekürzt)
„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt
Ryanair hätte dir also zunächst Betreuungsleistungen gem. Artikel 8 und 9 der Verordung gewähren müssen. Dazu zählen natürlich auch Getränke und Essen.
Desweiteren könntest du außerdem einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Artikel 7 der Verordnung haben.
Art. 7 VO Ausgleichzahlungen
„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt“.
Die Fluggesellschaft muss jedoch keine Ausgleichszahlungen leisten, wenn ein außergewöhnlicher Umstand gem. Artikel 5 der Verordnung Grund für die Annullierung war.
Ein Grund für die Verspätung war ein Streik, der einen Tag zuvor in Frankreich stattgefunden hat. Bei einem Streik kommt es darauf an, ob dieser als ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Erwägungsgrundes 14 der Verordnung (EG) 261/2004 betrachtet wird.
„Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.“
Zwar umschließt der Wortlaut des Gesetzestextes auch Streiks als haftungsausschließenden Grund, jedoch darf das nicht so pauschal betrachtet werden. Der Streik müsste einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Ein außergewöhnlicher Umstand kann im Allgemeinen immer dann angenommen werden, wenn ein Vorkommnis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern sich außerhalb dessen bewegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. An dieses Tatbestandmerkmal werden hohe Anforderungen gestellt. Ob ein Streik einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, ist stets einzefallabhängig.
So wurde beispielsweise ein außergewöhnlicher Umstand bei einer Flugannullierung wegen streikbedingter Umorganisation verneint.
Vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-22/11 (Das Urteil finden Sie im Volltext, wenn Sie bei Google „reise-recht-wiki EuGH C-22/11“ eingeben)
Bei einem Generalstreik wurde ein außergewöhnlicher Umstand hingegen vom Bundesgerichtshof bejaht.
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – X ZR 121/13 (auch bei „reise-recht-wiki“ zu finden)
Auch im Falle eines Fluglotsenstreikes wurde das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes angenommen.
Ein weiterer Grund für die Annullierung war ein Netzwerkproplem in Brüssel bei der Europ. Flugzentrale, weshalb der Flugraum über Belgien und Frankreich voll sei.
Fraglich ist, ob einer dieser Gründe einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Europäischen Fluggastrechte Verordnung darstellt. Ich denke, dass dieses für deinen Fall aufgrund der durchaus komplizierten Sachlage im einzelnen ermittelt werden muss. Beachte jedoch auf jeden Fall, dass Ryanair zunächst eine Nachweisepflicht trifft. Die Fluggesellschaft muss also substantiiert vortragen und darlegen, wie es zu dem außergewöhnlichen Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte. Falls sie dieses nicht können, hast du einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen.