Dein Flug von Frankfurt nach Tokio wurde ersatzlos gestrichen. Mit dem Flug auf den ihr umgebucht wurdet seid ihr weniger als 3 Stunden später als eigentlich geplant in Tokio eingetroffen. Du fragst dich, ob dir eine Entschädigung zustehen könnte.
Dabei nennst du eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro. Ich kann mir vorstellen, dass du dabei von den Ausgleichszahlungen sprichst, die sich aus Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung ergeben können:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Soweit zu Absatz 1 des Artikels 7, weiterhin zu beachten ist aber Absatz 2, und in deinem Fall denke ich wichtig:
(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit
a) (...)
b) (...)
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden
nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.
Aus Artikel 7 ergibt sich also, dass ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen sich je nach Entfernung zwischen dem Abflug- und dem Ankunftsort bestimmt. Angesichts der Entfernung zwischen Frankfurt und Tokio meine ich, dass - wie du schon sagst - erst einmal eine Entschädigung von 600 Euro denkbar wäre. Allerdings, so unter Absatz 2 weiter, kann die Airline diese Ausgleichszahlung um 50 Prozent kürzen, wenn du als Passagier nicht später als vier Stunden durch eine anderweitige Beförderung zu deinem Zielort transportiert wurdest.
Du schreibst, dass du sogar in unter 3 Stunden Tokio über einen Alternativflug erreichen konntest. Insofern kann ich mir vorstellen, dass ein eventueller Anspruch aus Artikel 7 EU-VO dementsprechend um die Hälfte durch deine Airline Lufthansa gekürzt werden kann.
Ein Anspruch aus Artikel 7 kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn dein ursprünglicher Flug annulliert wurde, so Artikel 5. Denn, siehe oben, auf Artikel 7 muss Bezug genommen werden - beispielsweise über eine Norm wie Artikel 5 EU-VO. Liegt eine Annullierung vor, dann können sich Ansprüche aus den Artikel 7, 8 und 9 EU-VO ergeben, so Artikel 5 Absatz 1.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden unter: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird.
EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 (ganz einfach zu finden,wenn Du bei Google eingibst: "EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de“)
Eine Verschiebung der Flugzeit um vier Stunden, kann eine solche Annullierung darstellen.
Wenn der Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird, kann eine Annullierung vermutet werden, so der EuGH.
Du schreibst, dass dein ursprünglicher Flug ersatzlos gestrichen wurde. Er wurde daher nicht durchgeführt, und wohl im Sinne der EU-VO und des obigen Urteils annulliert. Das könnte ich mir vorstellen.
Der Anspruch auf eine alternative Beförderung ergibt sich bei Annullierungen dann aus Artikel 8 EU-VO.
AG Bremen, Urteil vom 29.11.2013, Az 2 C 0049/13 (zu finden über die Google-Suche „2 C 0049/13 reise-recht-wiki“)
Nach der EU-Fluggastrechteverordnung sollen Airlines den Passagieren eines annullierten Fluges alternative Beförderungsmöglichkeiten anbieten, (...)
BGH, Urteil vom 25. März 2010 - Xa ZR 96/09 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google eingibst: BGH Xa ZR 96/09 reise-recht-wiki.de)
Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung haben Fluggäste unter anderem Anspruch auf eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt; damit einher geht die Pflicht des Luftfahrtunternehmens, eine solche anderweitige Beförderung anzubieten und durchzuführen.
Dem ist Lufthansa ja nachgekommen. Dann ist meine ich die oben schon beschriebene Entschädigung möglich. Diese entfällt also nicht, wenn man umgebucht wurde, kann aber gekürzt werden, soweit man innerhalb des in Artikel 7 EU-VO beschriebenen Rahmens früh genug zum Zielort transportiert wird. Die Ausgleichszahlungen sollen ja Unnanehmlichkeiten ausgleichen - halten diese sich in einem bestimmten Rahmen, dann können auch die Zahlungen im Rahmen von Artikel 7 angepasst werden. So mein Verständnis.
So ein Anspruch kann allerdings dann noch entfallen, wenn Lufthansa nun nachweisen könnte, dass die Annullierung deines ursprünglichen Fluges auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen wäre:
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Das ergibt sich aus Absatz 3 des Artikels 5.
Zu deiner Einordnung das folgende Urteil:
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 - (einfach zu finden bei Google unter Az.: C 549/07 im "reise-recht-wiki")
Außergewöhnliche Umstände sind Vorkommnisse, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
Du schreibst nicht, dass Lufthansa dich über ähnliches informiert hätte. Insofern kannst du denke ich erstmal nur davon ausgehen, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen haben, und für den Fall, dass sich Lufthansa doch darauf beruft, wenn du den Anspruch auf Ausgleichszahlungen geltend machst, aber im Hinterkopf behalten, dass den Nachweis darüber die Airline zu erbringen hat:
AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (auch ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 reise-recht-wiki.de")
In diesem Urteil wird noch einmal hervorgehoben, dass die Fluggesellschaft substantiiert vortragen und darlegen muss , wie es zu dem außergewöhnlichem Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte.