Hallo Herr Schmitz,
du wolltest einen Flug von München nach Düsseldorf antreten. Dieser wurde leider gestrichen, und du umgebucht, sodass du knapp 3 Stunden später als eigentlich geplant in Düsseldorf angekommen bist.
Du fragst dich, ob du einen Anspruch auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung hast.
Mir fällt dabei ein Anspruch aus Artikel 7 EU-VO ein, der sich dann ergibt, wenn eine Annullierung im Sinne von Artikel 5 EU-VO vorliegt.
Eine solche Annullierung kann angenommen werden, wenn:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden unter: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird.
Du schreibst, dass dein Flug ersatzlos gestrichen wurde. Ich persönlich meine, dass das der Inbegriff einer Annullierung ist - dein Flug wurde nicht mehr durchgeführt, auch nicht so wie geplant.
Schauen wir also deshalb einmal die Möglichkeiten aus Artikel 5 EU-VO an:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder (...)
Möglichkeiten ergeben sich danach aus den Artikel 7, 8 und 9 EU-VO.
Dich interessiert, wie ich dich verstehe, Artikel 7:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Ob der Entfernung würde ich auch auf eine mögliche Entschädigung in Höhe von 250 Euro tippen.
Ein Anspruch nach Artikel 7 kann aber, so Artikel 5, entfallen, wenn außergewöhnliche Umstände zu der Annullierung geführt haben:
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07 (zu finden im Reise-Recht-Wiki)
Ausgleichansprüche für Fluggäste bestehen jedoch nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass als Ursache eine „Außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt.
Lufthansa beruft sich auf eben diese außergewöhnliche Umstände: " Auf manche Ursachen für Störungen des Flugbetriebs haben wir leider keinen Einfluss.... somit kam es zu erheblichen Abflugverspätungen bis hin zu Annullierungen."
Dieser begründungsartigen Antwort kann ich leider keine Details entnehmen.
Außergewöhnliche Umstände können nämlich nicht jede beliebige Sache sein, sondern:
AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36) (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki.de)
"Außergewöhnlichen Umstände" müsse außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Sabotage oder terroristische Handlungen Ursache des technischen Defektes sind.
Lufthansa spricht lediglich von "Störungen des Flugbetriebs".
Ich möchte dir deshalb ein paar Beispiele dafür geben, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen können, und wann nicht.
Technische Defekte sind beispielsweise keine außergewöhnlichen Umstände:
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (32) (einfach zu finden bei Google unter Az.: 3 C 717/06 (32) im "reise-recht-wiki")
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
Ebenso wenig wie schlechte Wetterverhältnisse ohne nähere Ausführungen:
AG Wedding, Urt. v. 10.06.2006, Az: 14 C 672/05 (einfach für Sie zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: Az.: 14 C 672/05 auf "reise-recht-wiki.de")
Der wiederholte pauschale Hinweis auf sehr schlechte Wetterverhältnisse genügt nicht. Auch die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung eingereichten Wetterverlaufspläne entsprechen nicht den Anforderungen an einen geordneten Prozessvortrag und sind daher nicht geeignet, den Nachweis der auf den konkreten Flug bezogenen behaupteten Wetterdaten und weiteren Erschwernisse zu führen.
Ein Nachtflugverbot dagegen schon:
AG Rüsselsheim, Urt. v. 23.10.2013, 3 C 729/13 (36) (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google AG Rüsselsheim 3 C 729/12 (36) eingibst)
Auch das Amtsgericht Rüsselsheim hat geurteilt, dass das Nachtflugverbot eine Einwirkung von außen auf den Flugbetrieb der Airline ist und somit als außergewöhnlicher Umstand i. S. d. Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 zu werten ist.
Fortsetzung folgt...