Sie sind von Berlin über Frankfurt nach Spanien geflogen. Der Flug von Berlin nach Frankfurt kam jedoch mit einer Verspätung an, dass Sie Ihren Anschlussflug nicht erreicht haben und mit einer erheblichen Verspätung an Ihrem Zielflughafen angekommen sind. Sie fragen sich nun, ob Sie dadurch Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen können. Bei "Nur-Flügen" ergeben sich solche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung.
Ihren Angaben lässt sich entnehmen, dass Sie die Flüge als Gesamtflug gebucht haben. Zwar wurde der erste Flug durch Lufthansa und der zweite durch Condor durchgeführt werden, doch geben Sie an, dass auf dem Ticket und den Unterlagen überall Lufthansa steht. Ich denke daher, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen Lufthansa ist, denn dort haben Sie auch Ihre Tickets gebucht. Mögliche Ansprüche richten sich also gegen Lufthansa.
Der Europäische Gerichtshof in Brüssel (EuGH) hat am 26. Febuar 2013 in einem Urteil die Passagierrechte deutlich gestärkt. Demnach haben Reisende nun auch Recht auf Entschädigungszahlung durch die Fluggesellschaft, wenn sie wegen eines nur leicht verspäteten Zubringerfluges ihren Anschlussflug verpasst haben. Laut Urteil ist für den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung allein die Verspätung am Endziel entscheidend. Bisher war die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass im Fall mehrteiliger Flüge eine getrennte Betrachtung jeder einzelnen Flugstrecke erfolgen muss. Dies galt bisher auch, wenn beide Flüge in Verbindung gebucht wurden. Im Fall einer Verspätung des Zubringerfluges unter einer Verspätungszeit von drei Stunden konnten Fluggäste bis zu dem Urteil vom 26. Februar 2013 keine Rechte geltend machen – auch wenn die Verspätung am Endziel wegen des verpassten Anschlussfluges erheblich war. Die verspätete Landung am Endziel war also nicht relevant für einen Entschädigungsanspruch.
LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013 – Az.: 2-24 S 47/12 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Es ist davon auszugehen, dass ein verpasster Anschlussflug und eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslöst – auch dann, wenn der Umsteigeflughafen außerhalb der EU liegt oder die Zubringer- und Anschlussflug von verschiedenen Fluggesellschaften durchgeführt wurden.
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az.: C-11/11 (einfach zu finden über Google unter ”reise-recht-wiki”
Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 […]ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt.
Das bedeutet, dass Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aufgrund der Verspätung am Endziel haben könnten. Irrelevant ist, dass die Flüge von zwei verschiedenen Airlines durchgeführt wurden, solange Sie diese als Gesamtflug gebuchte haben.
Die Höhe der Ausgleichszahlungen bemisst sich aus der Entfernung und ergibt sich aus Artikel 7 VO Nr. 261/2004:
"Artikel 7 Ausgleichsanspruch. (1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlung in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen."
Zu beachten ist jedoch, dass die Fluggesellschaft in bestimmten Fällen davon befreit werden kann, Ausgleichszahlungen leisten zu müssen. Das ist immer dann der Fall, wenn außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004/EG Ursache der Verspätung waren.
BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az.: X ZR 115/12 (bei Google zu finden unter: "X ZR 115/12 reise-recht-wiki.de")
Ein Reisender, der aufgrund einer Verspätung des Zubringerfluges seinen Anschlussflug verpasst, hat in der Regel auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus der Fluggastrechteverordnung. Dies gilt nicht, wenn sich die Fluggesellschaft wirksam auf "außergewöhnliche Umstände berufen kann, etwa weil das pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen keine Landeerlaubnis erhält.
Ein außergewöhnlicher Umstand liegt immer dann vor, wenn die Ursache für die Verspätung nicht von der Fluggesellschaft hätte vermieden werden können. Also Umstände, auf die die Fluggesellschaft keinen Einfluss hat. Ein außergewöhnlicher Umstand kann zum Beispiel bei Streik des Bodenpersonals oder bei schlechten Wetterbedingugnen vorliegen.
In Ihrem Fall war Grund für die Verspätung die Reduzierung der Abflugrate aufgrund von Witterungsbedingungen, also dier Vergabe von Flughafenslots.
Ein Flughafenslot (engl. Airport Slot) bezeichnet ein Zeitfenster, während dessen eine Fluggesellschaft einen Flughafen zum Starten oder Landen eines Flugzeugs benutzen darf. Flughafenslots werden vor der Flugplanperiode vergeben.
Die Anzahl der verfügbaren Flughafenslots ist abhängig von der Kapazität eines Flughafens, die u. a. von Art und Anzahl der Start- und Landebahnen, von Art und Dauer der Passagierabfertigung, Wetterbedingungen, und von zeitlichen oder räumlichen Flugverboten abhängt.
Fraglich ist, ob die Verspätung wegen der Vergabe eines solchen Slots einen außergewöhnlichen Umstand darstellt.
AG Erding, Urt. v. 18.04.2011, Az: 2 C 1053/10 (bei Google zu finden unter: "Az: 2 C 1053/10 reise-recht-wiki.de")
Die Annullierung des Fluges basierte auf Radarproblemen, wodurch eine Slotvergabe stattfand. Dies stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar und somit besteht kein Ausgleichsanspruch nach der VO.
Es könnte sich also tatsächlich um einen außergewöhnlichen Umstand handeln, welcher die Fluggesellschaft vom Leisten der Ausgleichszahlungen befreien würde.