Sie haben einen Flug von Hamburg über Zürich nach Rio de Janeiro wahrgenommen. Der Flug von Hamburg nach Zürich hatte jedoch eine Verspätung von 1 Stunde, sodass Sie den Anschlussflug nach Rio de Janeiro verpasst haben. Sie fragen sich nun, ob Sie Ansprüche geltend machen können.
Bei Annullierungen oder Flugverspätungen kommen Ansprüche aus der Europäische Fluggastrechte Verordnung EG-VO 261/2004 in Betracht. Ob sich auch bei verpassten Anschlussflügen ein solcher Anspruch ergibt, hat der EuGH in der folgenden Grundsatzentscheidung entschieden:
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az. C-11/11 (bei Google zu finden unter: "C-11/11 reise-recht-wiki.de")
Verspätet sich eine Zubringerflug so, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht werden kann und somit den Zielflughafen mit einer Verspätung von mehr als 3 Stunden, steht den Fluggästen eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 7 der Verordnung.
LG Darmstadt, Hinweisbeschluss v. 15.01. 2017, Az.: 25 S 75/16
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund eines verpassten Anschlussfluges, wobei der betroffene Fluggast mind. drei Stunden zu spät an seinem Zielort ankommt, so kann ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestehen, auch wenn der Zubringerflug und der Anschlussflug nicht von derselben Fluggesellschaft durchgeführt wurde.
Sie könnten also einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen gegen die Fluggesellschaft haben. Die Höhe Ihres Anspruchs ergibt sich aus Artikel 7 der Europäischen Fluggastrechte Verordnung.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Fluggesellschaft in bestimmten Fällen davon befreit werden kann, Ausgleichszahlungen leisten zu müssen. Das ist immer dann der Fall, wenn außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004/EG Ursache der Verspätung waren. Ein außergewöhnlicher Umstand liegt immer dann vor, wenn die Ursache für die Verspätung nicht von der Fluggesellschaft hätte vermieden werden können.
BGH, Urt. v. 13.11.2013, Az.: X ZR 115/12 (bei Google zu finden unter: "X ZR 115/12 reise-recht-wiki.de")
Ein Reisender, der aufgrund einer Verspätung des Zubringerfluges seinen Anschlussflug verpasst, hat in der Regel auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus der Fluggastrechteverordnung. Dies gilt nicht, wenn sich die Fluggesellschaft wirksam auf "außergewöhnliche Umstände berufen kann, etwa weil das pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen keine Landeerlaubnis erhält.
Nach einem Urteil des EuGH v. 22.12.2008, Az: C-549/07 (Kann im Volltext im Internet unter "Az: C-549/07 reise-recht-wiki" gefunden werden) können die Umstände nur dann als „außergewöhnlich“ qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist.
BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az: X ZR 142/15 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: X ZR 142/15 reise-recht-wikI" bei Google eingeben)
Der Begriff der höheren Gewalt erfordert eine äußere Einwirkung, die nicht der Risikosphäre einer der Parteien zuzuordnen ist.
Fraglich ist, ob die Bauarbeiten am Flughafen einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Dazu folgendes Urteil:
AG Köln, Urt. v. 17.03.2016, Az: 140 C 243/15 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 140 C 243/15 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Außergewöhnliche Umstände befreien die Fluggesellschaft im Falle einer Verspätung von der Ausgleichspflicht.
Sanierungs- bzw. Bauarbeiten werden lange im Vorfeld angekündigt und bieten den Fluggesellschaften so genug Zeit, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Verspätungen zu vermeiden und stellen somit keinen außergewöhnlichen Umstand dar.
Daher gehe ich davon aus, dass Baumaßnahmen am Flughafen keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen und Sie daher einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben.
Bitte beachten Sie aber, dass dieser Beitrag nur eine Rechtseinschätzung darstellt und keine Rechtsberatung. Eine solche können Ihnen nur Fachanwälte geben.