Sie haben einen Flug bei TuiFly gebucht. Dieser Flug konnte jedoch nicht wie geplant starten, sondern musste augrund eines Streiks annulliert werden.
Fraglich ist, ob Sie dadurch Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geltend machen können.
Bei einer Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges ergeben sich mögliche Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung. Gemäß Artikel 7 der VO Nr. 261/2004 haben könnten Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben. Dieser bemisst sich nach der Entfernung:
"Artikel 7 Ausgleichsanspruch
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen."
Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der VO Nr. 261/2004 ist das ausführende Luftfahrtunternehmen jedoch nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Grund für die Verspätung war ein sogenannter "wilder Streik". Es haben sich fast alle Mitarbeiter krank gemeldet.
Infolgedessen kam es zu mehreren Klagen aufgrund unzufriedener Fluggäste, die ihre Rechte aus der europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004 geltend machen wollten.
Nun verhandelte vergangenen Monat der EuGH in den Rechtssachen C-195/17 sowie C-292/17 über die Frage, ob ein „wilder Streik“ als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 III der europäischen Fluggastrechteverordnung gewertet werden kann. Denn wenn ein solcher Umstand vorliegt, so muss das Luftfahrtunternehmen keine Entschädigungszahlungen nach Art. 7 der Verordnung an die Passagiere zahlen, wenn sich der Umstand auch nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Problematisch ist, dass solche wilden Streiks eigentlich rechtlich unzulässige Maßnahmen darstellen. Tuifly steht hier vor dem Problem der Beweisführung. Zwar sprechen die Indizien der zahlreichen Krankschreibungen für einen solchen wilden Streik, doch muss man bis zum Beweis des Gegenteils von einer Krankheit der betroffenen Personen ausgehen.
Auch in der Instanzrechtsprechung gab es einige Uneinigkeiten, wie Sie den folgenden Urteilen entnehmen können:
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2017, Az.: 29 C 3361/16 (40)
Meldet sich ein erheblicher Teil des Flugpersonals krank, stellt dies unabhängig davon, ob dies als "Wilder Streik" oder tatsächliche Fluguntauglichkeit zu bewerten ist, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung dar. Ist ein Fluggast davon in Form einer Flugannullierung betroffen, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO.
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.03.2017, Az.: 31 C 117/17 (16)
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund massenhafter angeblicher Krankmeldungen des Flugpersonals, so kann sich die Airline nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.
Wie der EuGH diese Rechtslage nun bewerten wird ist schwer zu sagen. Denn einerseits muss ein außergewöhnlicher Umstand aus den normalen betrieblichen Abläufen eines Luftfahrtunternehmens herausstechen. Andererseits kommt es auch immer auf den Einzelfall an.
Je nachdem ob der "wilde Streik" tatsächlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, haben Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen.