Sie haben einen Flug von Frankfurt über Singapur nach Sidney gebucht. Ihr ursprünglicher Flug wurde annulliert und Sie wurden auf einen anderen Flug umgebucht. Dieser hatte dann eine Verspätung. Sie fragen sich nun, ob Sie sowohl einen Anspruch wegen der Annullierung, als auch einen Anspruch wegen der Verspätung haben.
Zunächst könnte Ihn ein Anspruch wegen der ursprünglichen Annullierung zustehen. Dazu folgendes Urteil:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az.: C-83/10 (Das Urteil lässt sich im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: C-83/10 reise-recht-wiki" eingeben)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Die Höhe der Ausgleichsazhlungen bemisst sich nach der Entfernung und ergibt sich aus Artikel 7 der VO Nr. 261/2004.
- Bei einer Strecke von bis zu 1500km: 250€
- Bei einer Strecke von 1500km bis 3500km: 400€
- Bei einer Strecke von 3500km oder mehr: 600€
Nun ist fraglich, ob Ihnen auch dann noch ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht, wenn die Fluggesellschaft eine alternative Beförderung gewährleistet hat. Dazu folgendes Urteil:
BGH, Urt. v. 10.10.2017, Az: X ZR 73/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: X ZR 73/16 reise-recht-wiki" eingeben)
Bietet eine Fluggesellschaft im Fall einer Annullierung eine alternative Beförderung zum Zielort an, gilt es hinsichtlich des annullierten Fluges nach wie vor als ausführendes Luftfahrtunternehmen.
Nur wenn eine angebotene alternative Beförderung dem Fluggast tatsächlich ermöglicht das Endziel innerhalb des in der Fluggastrechte-Verordnung vorgegebenen Rahmens zu erreichen, wird die Fluggesellschaft von ihrer Pflicht zur Ausgleichszahlung befreit.
Die Ausgleichspflicht bei Annullierung besteht unabhängig von der Möglichkeit des Fluggastes gegen die Fluggesellschaft, die den Ersatzflug durchführt, Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend zu machen.
Demnach haben Sie zunächst wegen der Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Wie der letzte Abschnitt des Urteils zeigt, besteht die Ausgleichspflicht unabhängig von der Möglichkeit des Fluggastes gegen die Fluggesellschaft, die den Ersatzflug durchführt, Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend zu machen. Sie können also zusätzlich auch einen Anspruch wegen der Verspätung des Ersatzfluges geltend machen. Denn auch bei einer Flugverspätung kommen Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte in Betracht:
BGH- X ZR 34/14 (Das Urteil lässt sich im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: C-83/10 reise-recht-wiki" eingeben)
Der BGH hatte entschieden, dass auch eine zeitliche Flug-Verlegung nach hinten einer Nichtbeförderung gleichkomme und dem Kunden dann Ausgleichszahlungen zustehen könnten.
Sie haben meines Erachtens daher tatsächlich sowohl wegen der Annullierung, als auch der Verspätung einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen.
Dieser Beitrag stellt jedoch nur eine Rechtsmeinung dar. Da es sich bei dir um einen sehr komplexen Fall handelt, könnte sich das zu Rate ziehen eines Experten als hilfreich erweisen.