Sie haben einen Flug von München nach Vilnius wahrgenommen. Der Flug wurde annulliert, weshalb Sie einen anderen Flug wahrnehmen mussten und eine Verspätung von 6 Stunden hatten.
Bei einer Annullierung kann Ihnen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen aus der europäischen Fluggastrechte Verordnung zustehen. Dazu auch das folgende Urteil:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az.: C-83/10 (Das Urteil lässt sich im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: C-83/10 reise-recht-wiki" eingeben)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Die Höhe der Ausgleichsazhlungen bemisst sich nach der Entfernung und ergibt sich aus Artikel 7 der VO Nr. 261/2004.
- Bei einer Strecke von bis zu 1500km und einer Verspätung ab 2 Stunden: 250€
- Bei einer Strecke von 1500km bis 3500km und einer Verspätung ab 3 Stunden: 400€
- Bei einer Strecke von 3500km oder mehr und einer Verspätung ab 4 Stunden: 600€
Die Entfernung zwischen Mallorca und Nürnberg beträgt 1.257,52 km. Sie könnten also einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 EUR pro Person haben.
Tatsächlich muss eine Fluggesellschaft jedoch keine Ausgleichszahlungen leisten, wenn außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004/EG Ursache der Verspätung waren. Ein außergewöhnlicher Umstand kann zum Beispiel bei Streik des Bodenpersonals oder bei schlechten Wetterbedingugnen vorliegen. Grund für die Verspätung war in Ihrem Fall ein technischer Defekt.
Ein technischer Defekt ist aber in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand, der die Fluggesellschaft von Ausgleichszahlungen freistellt. Dies gilt selbst dann, wenn die Fluggesellschaft alle Wartungsarbeiten am Flugzeug frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat. Dazu auch die folgenden Urteile:
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 3 C 717/06 reise-recht-wiki" eingeben)
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
AG Frankfurt, Urteil vom 3. 2. 2010 - Az.: 29 C 2088/09 (Das Urteil lässt sich im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 29 C 2088/09 reise-recht-wiki"eingeben)
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Flugsicherheitsmangel” – maßgeblich, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit zu erwartendes Vorkommnis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft entzogen ist.
EuGH vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 (Das Urteil lässt sich im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: C 549/07 reise-recht-wiki" eingeben)
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat.
Damit kann die Fluggesellschaft sich in Ihrem Fall nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen und muss Ihnen die Ausgleichszahlungen erstatten.
Außerdem wurde Ihnen noch gesagt, dass der Anspruch nicht besteht, weil deutsche Gerichte nicht zuständig sind. Ihnen stellt sich die Frage ob dies der Wahrheit entspricht.
Dazu folgende Urteile:
BGH, Urteil vom 28.5.2013, Az. X ZR 88/12 (bei Google zu finden, wenn Sie eingeben: "X ZR 88/12 reise-recht-wiki.de")
Bei internationalen Streitigkeiten kann der Kläger wählen, ob er sich an das an seinem Wohnort zuständige Gericht oder an das für den Beklagten zuständige Gericht wende.
EuGH, Urteil vom 9.7.2009, Az. C-204/08 (bei Google einfach eingeben: "C-204/08 reise-recht-wiki.de")
Bei Klagen auf Ausgleichsansprüche des Reisenden gegenüber einem Luftfahrtunternehmen, hat der Reisende die Wahlfreiheit zwischen den Gerichten an Ankunft-und Abflugort.
Aufgrund dieser Urteile, bin ich zu der Meinung bewogen, dass es Ihnen durchaus zustehen sollte, Ihre Ansprüche in München geltend zu machen.
Allerdings empfiehlt es sich bei schwierigen Fragen, zusätzlich zu einer Rechtsmeinung noch einen professionellen Rechtsrat von einem Fachanwalt einzuholen.