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Guten Tag,

wir haben am 27.07.2018 eine 8-tätige Pauschalreise vom 08.09. bis 15.09.2018 gebucht.

Abflug sollte morgens um 06.35 Uhr sein. Wir waren pünktlich am Flughafen und am Gate. Dort wurde der Abflug dann fünfmal weitergeschoben. Der endgültige Abflug sollte dann am nächsten Tag um 04.30 Uhr erfolgen.

Während der stundenlangen Wartezeiten (bis letztendlich um 14 Uhr der Abflug für den nächsten Tag feststand) haben wir Verzehrgutscheine erhalten. Insofern alles gut. 

Die Fluggesellschaft stellte ein Hotel für die Übernachtung. Das bereits eingecheckte Gepäck wurde nicht mehr herausgegeben. Da wir in Erwartung unseres sonnigen Reisezieles unsere Jacken und längeren Hosen im großen Koffer mit aufgegeben haben, standen wir nun ohne da. Die notwendigsten Sachen für die Übernachtung (Nachtwäsche, Kosmetika etc.) haben wir daher kaufen müssen und möchten diese Kosten mit einreichen.

Wenn wir uns hier durch die Antworten lesen, stellt sich uns die Frage, ob wir unseren Reiseveranstalter (für eine Reisepreisminderung und Schadenersatz für entgangenen Urlaub) und die Fluggesellschaft (nach der EU-VO) in Anspruch nehmen können.

Wir hatten für die gesamte Reisezeit einen Mietwagen (separate Buchung) bestellt und vor Ort Frühstück mit Halbpension gebucht. Durch die Verspätung sind wir 22 Stunden später (also erst am Vormittag unseres eigentlich bereits kompletten ersten Urlaubstages vor Ort) am Ziel gewesen. Der Mietwagen und auch das Hotel waren bezahlt, konnten aber einen kompletten Tag nicht genutzt werden. Zudem mussten wir ein weiteres Mal mitten in der Nacht aufstehen (wir sollten um 3.30 Uhr frühmorgens am Gate sein).

1.) Kann hier eine Reisepreisminderung beantragt werden? Wie berechnet sich diese? Anteilig zur Reisedauer?

2.) Kann Schadenersatz für entgangenen Urlaubstag beantragt werden? Wie berechnet man diesen?

3.) Die Positionen 1. und 2. stellen wir sinnigerweise beim Pauschalreiseveranstalter?

4.) Sollte man die obigen Positionen erst beim Reiseveranstalter geltend machen und im Anschluß die Entschädigung bei der Fluggesellschaft gemäß EU-VO, damit hier nichts verrechnet wird?

Ganz lieben Dank für die Antworten,

ein ReisendesPaar

Gefragt in Flugverspätung von (120 Punkte)
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2 Antworten

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Hallo Reisendes Paar, 

ich probiere im Folgenden mal ihre Fragen eingehend zu beantworten. Bitte beachten Sie, dass Ich hier nur meine eigene Meinung darlegen kann. Für eine Rechtsberatung ist meines Wissens nach ein Ganz zu Fachanwält*innen unerlässlich. 

Kann hier eine Reisepreisminderung beantragt werden? Wie berechnet sich diese? Anteilig zur Reisedauer?

Korrekt, eine Reisepreisminderung finden Sie in der Vorschrift des § 651 m BGB. Wie Sie auch schon korrekt gesagt haben, würde sich dabei für die Dauer des Reisemangels der Reisepreis mindern. Dabei ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.

Damit eine Reisepreisminderung überhaupt in Frage kommt, muss allerdings als Voraussetzung ein Reisemangel n. § 651 i BGB vorgelegen haben. Bei einer derartigen Verspätung des Fluges, so dass Sie einen ganzen Tag später in ihrem Urlaubsort angekommen sind, wird dies wohl unproblematisch zu bejahen sein. Zum vergleich aber auch dieses Urteil:

AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 12.07.2013, Az.: 920 C 378/12 (der Volltext lässt sich bei Google finden: „reise-recht-wiki 920 C 378/12)

Bei einer 19-stündigen Verzögerung wird ab der 5. Stunde eine 5-prozentige Minderung zugesprochen. Pro weitere Stunde erhöht sich dies um je 5% des Tagespreises. Zusätzlich kann ein weiterer Abschlag in Betracht kommen, da es sich um den Verlust eines ganzen Urlaubstages bei einer 6tägigen Kurzreise handelte.

Ich schätze hier wird es sicherlich ähnlich sein. 

Kann Schadenersatz für entgangenen Urlaubstag beantragt werden? Wie berechnet man diesen?

Bezüglich des Schadensersatzes ist auf § 651 n BGB zu verweisen. Dabei ist es für den Reisenden möglich, dass neben der Minderung Schadensersatz verlangen, es sei denn, der Reisemangel ist vom Reisenden verschuldet, ist von einem Dritten verschuldet, der weder Leistungserbringer ist noch in anderer Weise an der Erbringung der von dem Pauschalreisevertrag umfassten Reiseleistungen beteiligt ist, und war für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder nicht vermeidbar oder wurde durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände verursacht. 

Es kommt also darauf an, was der Grund für die Verspätung des Fluges war. Lag ein außergewöhnlicher Umstand vor, so kann weder der Airline, noch dem Reiseveranstalter ein Schadensersatzanspruch gestellt werden.

Die Positionen 1. und 2. stellen wir sinnigerweise beim Pauschalreiseveranstalter? 

Auch dies ist korrekt; Ansprüche die sich aus dem BGB ergeben, sind immer gegen den Reiseveranstalter zu wenden.

Sollte man die obigen Positionen erst beim Reiseveranstalter geltend machen und im Anschluß die Entschädigung bei der Fluggesellschaft gemäß EU-VO, damit hier nichts verrechnet wird? 

Gem. Art 12 I der EG-VO 261/2004 gilt diese Verordnung unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden. Dies ist wahrscheinlich immer der Fall; ob Sie die einen Ansprüche eher oder später geltend machen, tut da wahrscheinlich nichts zur Sache. So würde ich diese Vorschrift zumindest interpretieren. 

Ich kann Ihnen für die restlichen Ansprüche, v. a. hinsichtlich der aus der VO noch weitere Beiträge hier im Forum zum Thema Flugverspätung empfehlen.

Beantwortet von (9,480 Punkte)
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Sie haben eine Pauschalreise gebucht. Nun kam es im Rahmen dieser zu einer Flugverspätung von 22 Stunden. Zusätzlich kam es noch zu einer Gepäckverspätung. Sie fragen nun nach Ihren Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter und die Fluggesellschaft und das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus der EU-Fluggastrechte Verordnung und den Ansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter, welche sich aus dem Reisevertragsrecht des BGB ergeben. 

(1) Gepäckverspätung

Bei Gepäckverspätungen kann zunächst das Montrealer Übereinkommen weiterhelfen. Dieses richtet sich gegen die Fluggesellschaft. Hier ist speziell Artikel 19 interessant: 

Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht.  Er haftet jedoch nicht für Verspätungsschäden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.

Der Fluggast darf also zunächst Noteinkäufe tätigen. Die Fluggesellschaft ist nach Artikel 19  dazu verpflichtet, die Kosten für diese Noteinkäufe zu erstatten. Sie sollten aber nur solche Gegenstände kaufen, die nötig sind und dabei unbedingt die Belege aufbewahren.

In Artikel 22 des Montrealer Überinkommens wird jedoch festgelegt, dass die Airline nur bis zu einem Betrag von 1.131 Sondererziehungsrechten haften muss. Diese entsprechen ca. 1300€.

AG Frankfurt, Urteil vom 13.6.2013, Az. 29 C 2518/12 (19) (bei Google einfach eingeben: "29 C 2518/12 (19) reise-recht-wiki.de")

Kommt das Reisegepäck der Fluggäste verspätet an, sodass diese sich einen Ersatz für die Sachen aus dem Gepäck anschaffen müssen, hat das Luftfahrtunternehmen grundsätzlich den Ersatz für die Anschaffungskosten zu leisten. Nicht ersetzen muss das Luftfahrtunternehmen Anschaffungen die nicht notwendig waren.

Weiterhin könnte auch eine Reisepreisminderung in Betracht kommen, da es sich ja um eine Pauschalreise handelt. Bei Pauschalreisen bildet die Anspruchsgrundlage das Reisevertragsrecht aus den §§651a-y BGB. Diese Ansprüche richten sich dann gegen den Reiseveranstalter.

Damit Ansprüche aus dem Reisevertragsrecht entstehen, müsste zunächst ein Reisemangel im Sinne von §651 i Absatz 2 BGB vorliegen:

(2) Die Pauschalreise ist frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln, 

1. wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten

2. wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann.

Ein Reisemangel liegt auch vor, wenn der Reiseveranstalter Reiseleistungen nicht oder mit unangemessener Verspätung verschafft.

Fraglich ist, ob eine Gepäckverspätung einen Mangel darstellt. Dazu zunächst folgende Urteile:

LG Frankfurt, Urteil vom 10.9.2009, Az. 2-24 S 15/09 (bei Google zu finden unter: "2-24 S 15/09 reise-recht-wiki.de")

Wenn es zu einer Gepäckverspätung im Rahmen einer Pauschalreise kommt, steht dem Reisenden ein Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises gemäß §651 d Absatz 1 BGB zu.

LG Frankfurt, Urteil vom 5.6.2007, Az. 2-24 S 44/06 (bei Google zu finden unter:"2-24 S 44/06 reise-recht-wiki.de")

In der Gepäckverspätung kann ein Reisemangel gesehen werden, der zur Reisepreisminderung führen kann. Die Minderung beträgt in dem Fall zwischen 20-30% des anteiligen Tagespreises. Möglich wäre auch die Forderung nach Schadensersatz wegene entgangener Urlaubsfreude gemäß §651 f Absatz 1 BGB.

Eine Gepäckverspätung kann also durchaus einen Mangel darstellen und eine Reisepreisminderung gemäß §651 m BGB begründen.

(2) Flugverspätung

Nun kam es dazu auch noch zu einer Flugverspätung. Dadurch können Sie einen Anspruch auf eine Reisepreisminderung gem. § 651 m BGB wegen eines Reisemangels haben und außerdem können Sie noch gegen die Fluggesellschaft einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlungen geltend machen. Fraglich ist, wie sich die beiden Ansprüche zueinander verhalten. 

Hier hilft zunächst ein Blick auf Art. 12 VO Nr. 261/2004 Weiter gehender Schadensersatz:

(1) Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.

Demnach können die Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte Verordnung tatsächlich auf andere Ansprüche angerechnet werden. Hierzu auch folgende Urteile:

BGH, Urteil vom 30.9.2014, Az. X ZR 126/13 (den Volltext findest du, wenn du auf "reise-recht-wiki.de" suchst: "X ZR 126/13")

Hat ein Reisender bereits eine Ausgleichszahlung im Sinne des Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 erhalten, so steht ihm kein Anspruch auf eine Reisepreisminderung aus dem Reisevertrag zu. 

LG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2012, Az. 2-24 S 67/12 ( bei Google zu finden unter: "2-24 S 67/12 reise-recht-wiki.de")

Auch Ansprüche die gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden und auf einem Minderungsanspruch beruhen, sind von Artikel  12 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnug betroffen und werden auf eine zu leistende bzw. auf eine bereits geleistete Ausgleichsleistung angerechnet.

AG Duisburg, Urteil vom 9.4.2014, Az. 52 C 2806/13 (bei Google einfach eingeben: "52 C 2806/13 reise-recht-wiki.de")

Ein Fluggast bekommt von seiner Airline eine Ausgleichszahlung wegen einer mehr als 24-stündigen Flugverspätung. Zusätzlich zu der bereits gezahlten Entschädigung verlangt der Kläger eine Reisepreisminderung. 

Das Amtsgericht Duisburg hat die Klage abgewiesen. Durch die erfolgte Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung sei der Kläger bereits ausreichen entschädigt worden.

 Demnach erlischt der Anspruch auf Ansprüche aus dem Reisevertragsrecht mit dem Leisten der Ausgleichszahlungen. Daher ist Ihnen zu raten, zunächst die Ansprüche aus dem BGB und danach die Ansprüche aus der Verordnung geltend zu machen, da diese nicht auf die Ausgleichszahlungen angerechnet werden.

Zum Schluss möchte ich noch anbringen, dass dieser Beitrag lediglich eine Rechtseinschätzung darstellt. Für eine professionelle Rechtsberatung wäre es vielleicht von Vorteil zusätzlich noch einen Anwalt zu Rate zu ziehen.

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