Lieber Fragesteller,
Sie schildern einen konkreten Einzelfall mit konkreten Fragen zu diesem Sachverhalt. Bitte beachten Sie, dass die folgenden Ausführungen lediglich allgemein gelten und keinen Rechtsrat in Bezug auf Ihren Einzelfall darstellen:
Die vertragliche und (zusätzlich) die ausführende Fluggesellschaft ist Ihnen nach dem Flugbeförderungsvertrag verpflichtet, Sie pünktlich zu den vereinbarten Flugzeiten zu befördern. Werden Fluggäste nicht püntklich befördert, liegt rechtlich grundsätzlich eine Pflichtverletzung aus dem Luftbeförderungsvertrag vor. Eine Pflichtverletzung eines (Flugbeförderungs-) Vertrages hat immer Rechtswirkungen. Neben vielen weiteren möglichen Ansprüchen gewährt die europäische Fluggastverordnung (EG) Nr. 261/2004 Fluggästen Rechte und Ansprüche, wie z.B. eine Entschädigung bei Flugverspätung.
Zunächst einmal haben Fluggäste bei einem abgebrochenen Startversuch und darauf erheblich verzögertem und verspätetem Anschlussflug einen Anspruch auf Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 der FluggastVO (EG) Nr. 261/2004. Die Betreuungsleistungen umfassen kostenfreie Mahlzeiten und Erfrischungen, einschließlich der Möglichkeit zu kostenfreien Telefonaten, Internetzugang oder anderen Kommunikationsmöglichkeiten. Zudem muss die Fluggesellschaft eine kostenfreie Übernachtung in einem Hotel einschließlich der Fahrten vom/zum Flughafen vom/zum Hotel anbieten. Leistet die Airline diese Betretuungsleistungen nicht, können Fluggäste sich im Rahmen ihres Rechts auf Selbstabhilfe Mahlzeiten, Erfrischungen und Essen am Flughafen in Eigenregie organisieren und die daraus entstehenden Kosten der Airline in Rechnung stellen. Gleiches gilt für die Hotelübernachtung. Bietet die Fluggesellschaft kein Hotel an, kann der Fluggast im Rahmen des Rechts auf Selbstabhilfe die ausgelösten Taxikosten und die Hotelkosten der Fluggesellschaft in Rechnung stellen.
Zusätzlich zur Verpflichtung auf Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, ist die ausführende Fluggesellschaft gemäß des sog. "Sturgeon"-Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Flugverspätungen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Rs. C-402/07 (Sturgeon v. Condor Flugdienst) und Rs. C-432/07 (Böck/Lepuschitz v. Air France)) verpflichtet, Fluggästen, die mehr als 3 Stunden verspätet am letzten (Ziel-) Flughafen ankommen, eine Entschädigung in Höhe von bis zu 600 EUR pro Person zu leisten (vgl. EuGH, Urt. v. 23.10.2012, Rs. C-581/10 Nelson v. Deutsche Lufthansa AG und British Airways plc, EasyJet Airline Company Ltd. ua. v. Civil Aviation Authority; EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-11/11, Air France v. Folkerts).
Fluggesellschaften haben nach dem 14. Erwägungsgrundes der VO (EG) Nr. 261/2004 die Möglichkeit, sich bezüglich der Ansprüche auf Entschädigung und Ausgleichszahlung bei Flugverspätung zu entlasten, wenn die Flugverspätung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Wann derartige "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, müssen die Gerichte mühsam von Fall zu Fall entscheiden.
Ein Defekt an einem „roten Lämpchen“ am Flugzeug ist als technischer Defekt am Fluggerät zu qualifizieren. Im Falle der Ursache der Flugverspätung eines technischen Defektes am Fluggerät hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden, dass derartige technische Defekte grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände darstellen, die Fluggesellschaften sich damit grundsätzlich nicht entlasten können (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-549/07, Wallentin-Hermann v. Alitalia). Die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes wird von der Rechtsprechung restriktiv gehandhabt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Probleme an der Treibstoffanzeige und einem Triebwerk am Flugzeug keine außergewöhnlichen Umstände und damit keinen Entlastungsgrund darstellen (BGH, Urt. v. 18.02.2010, Aktenzeichen: Xa ZR 95/06).
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Jan Bartholl
RECHTSANWALT Jan Bartholl
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