(1) Anspruch auf eine Erstattung für den Hinflug Berlin-Helsinki-Bangkok
Sie fragen zunächst bezüglich Ihrer Buchung auf den Anspruch einer Erstattung des Hinfluges von Berlin über Helsinki nach Bangkok.
Dieser Anspruch könnte sich aus der europäischen Fluggastrechteverorndung ergeben. Die Ansprüche aus der Verordnung kommen dann in Betracht, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Sie haben unter einer einheitlichen Buchung zwei Flüge gebucht. Nun wurde der erste Flug annulliert. Dadurch wird auch der zweite Flug für sie unmöglich. Es liegt meines Erachtens daher eine Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges vor.
Ansprüche ergeben sich dann aus Artikel 5 der Europäischen Fluggastrechteverordnung:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 (...)
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet (...)
Sie könnten also zunächst einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Art. 7 VO Nr. 261/2004 haben. Dieser Anspruch entfällt jedoch, wenn Sie mindestens 2 Wochen vor Abflug über diese Annullierung informiert wurden. Diese Frist wurde in Ihrem Fall nicht eingehalten.
Allerdings entfällt der Anspruch auch dann, wenn sich die Fluggesellschaft auf außergewöhnliche Umstände beruft, siehe Art. 5 Abs. 3, VO 261/2004. Ein außergewöhnlicher Umstand liegt dann vor, wenn der Grund für Verspätung oder Annullierung „außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft” liegt. Falls der Flug aufgrund der Coronavirus-Pandemie annulliert wurde, könnte dies durchaus einen außergewöhnlichen Umstand vorliegen, denn diese Epidemie liegt außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaften und ist daher ein außergewöhnlicher Umstand. Ich könnte mir daher vorstellen, dass ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nicht besteht.
Sie haben aber einen Anspruch aus Art. 8 VO Nr. 261/2004:
Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten (...)
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Sie haben also gem. Art. 8 Abs. 1a) einen Anspruch auf eine Erstattung der gesamten Flugscheinkosten für den Hinflug.
Das gleiche gilt meines Erachtens auch für den Rückflug, da dieser ja nach Ihren Angaben ebenfalls annulliert wurde.
(2) Anspruch auf eine Erstattung für den Hinflug Reykjavik-Helsinki-Bangkok
Nun fragen Sie weiterhin, ob auch Ihr Freund einen Anspruch auf eine Erstattung seiner Flugscheinkosten hat.
Bezüglich des stornierten Rückfluges ergibt sich auch hier der Anspruch auf die Erstattung der Kosten nach Art. 8 Abs. 1a) VO Nr. 261/2004.
Nun stellt sich die Frage, ob Ihr Freund auch einen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für den Hinflug hat, da dieser ja wie geplant stattfindet. Dieser Anspruch besteht jedoch nur bei einer Annullierung des betroffenen Fluges. Ein Anspruch kommt also nur dann in Betracht, wenn Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug betrachtet werden. Denn dann würde sich der Stornierungsanspruch des Hinfluges auch auf den Rückflug erstrecken.
Nach gefestigter Rechtsprechung sind Hin- und Rückflug jedoch nicht einheitlich, sondern als zwei unterschiedlich zu beurteilende Flüge zu bewerten. Dazu folgende Urteile:
EuGH, Urt. v. 10.07.2008, Az: C‑173/07 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: C‑173/07 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass eine Hin- und Rückreise nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden können.
AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 261 C 13238/16 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 meint Hin- und Rückflug jeweils getrennt voneinander. Auch wenn alle Flüge von der gleichen Fluggesellschaft durchgeführt und gemeinsam gebucht werden.
Ihr Freund hat meines Erachtens daher leider eher keinen Anspruch auch den Hinflug zu stornieren.
Weil es sich hierbei allerdings nur um meine persönliche Einschätzung handelt und kein Rechtsrat darstellen soll, empfehle ich jedoch das Einschalten eines Anwalts.