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Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben über seat24.de im Mai Flüge nach Japan gebucht. Der Hinflug erfolgt mit JAL von Frankfurt über Helsinki nach Tokyo. Der Rückflug erfolgt mit JAL nach Helsinki und mit Finnair weiter nach Frankfurt.

Nun wurde uns seitens Finnair der Streckenteil Helsinki-Frankfurt gecancelt.

Haben wir Anspruch darauf, die Gesamtbuchung kostenfrei zu stornieren und unser Geld zurück zu erhalten?

Müssen wir uns diesbezüglich an seat24.de, Finnair, oder JAL wenden?

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Gefragt in Flugannullierung von (140 Punkte)
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2 Antworten

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Sehr geehrter Fragesteller,

Folgende drei Sachverhalte müssen bei Ihrer Frage erörtert werden:

(1)      Stornierung der Gesamtbuchung

Grundsätzlich ist es so, dass der Hin- und der Rückflug als zwei gesonderte Beförderungsleistungen angesehen werden, für welche die Anwendbarkeit der Fluggastrechte-Verordnung Nr. 261/2004 jeweils getrennt zu prüfen ist (AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16). Insofern wirkt sich die Annullierung der letzten Teilstrecke des Rückfluges nicht auf Ihren Hinflug aus. Damit Sie den Hinflug stornieren lassen und die Erstattung der Kosten nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a) VO 261/2004 erhalten können, muss mindestens eine Teilstrecke des Hinflugs annulliert werden.

Auf der anderen Seite hat die EU-Kommission in den Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Situation im Zusammenhang mit Covid-19 vom 18.03.2020 darauf hingewiesen, dass Fluggästen die Stornierung der Gesamtbuchung (also Hin- und Rückflug) ermöglicht werden soll, wenn z.B. nur der Hinflug annulliert wurde. Die Auslegungsleitlinien sind jedoch für Staaten und Gerichte nicht verbindlich, die Gerichte dürfen weiterhin ihre eigene Ansicht vertreten.

(2)      Stornierung des Rückfluges

Sie könnten jedoch mindestens den Anspruch auf kostenlose Stornierung und vollständige Erstattung des Rückfluges haben, bei dem ein Teilflug annulliert wurde. Die Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer einheitlichen Buchung (EuGH, Urt. v. 31.05.2018, Az: C-537/17). Die Stornierung erfolgt dann auf dem durch den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a) erster Gedankenstrich VO 261/2004 geregelten Recht auf vollständige Erstattung der Flugscheinkosten, wenn der Flug annulliert wird. Das einzig schwierige daran könnte sein, meines Erachtens, wenn Sie zwar die Teilflüge im Rahmen einer einheitlichen Buchung erworben haben, JAL und Finnair jedoch nichts weiter miteinander zu tun hatten. In den Grundsatzurteilen des Europäischen Gerichtshofs zu den Ansprüchen aus der Verordnung Nr. 261/2004 zu den mehrteiligen Flügen ging es meistens entweder um eine und dieselbe Airline, die beide Flüge durchgeführt hat, oder um Codesharing-Flüge, d.h. die beiden Airlines standen in enger Verbindung zueinander. Nichtdestotrotz sollten Sie einen Anspruch auf die kostenlose Stornierung des Gesamtfluges haben, wenn der Flug aufgrund von Teilannullierung zwecklos geworden ist.

(3)      Anspruchsgegner

Ansprüche aus der Verordnung Nr. 261/2004 sind grundsätzlich gegen die ausführende Fluggesellschaft zu richten, d.h. die Fluggesellschaft, die den Flug tatsächlich durgeführt hat. Eine Ausnahme wurde vom EuGH für ein Codesharing-Flug zugebilligt (EuGH, Urt. v. 11.06.2019, Az: C-502/18), bei dem die erste Fluggesellschaft für die Verspätung auf dem zweiten Teilflug, durchgeführt von einer Nicht-EU-Airline im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung, haften musste. Dennoch liegt es nahe, sich zwecks der Stornierung des JAL-Fluges auch an die JAL zu wenden.

Diverse Flugbuchungsportale, in Ihrem Fall seat24.de, können zwar vermittelnd eintreten und einen Teil der Regulierung bzw. der Kommunikation übernehmen, sie sind jedoch schließlich nicht für die Erstattung zuständig.

Am besten lassen Sie sich von einem Anwalt für Flugrecht verbindlich beraten, da die aktuelle Situation rund um Flugannullierungen und Stornierungen nicht einfach ist.

Beantwortet von (5,020 Punkte)
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Sie haben einen Flug von Frankfurt über Helsinki nach Tokyo und zurück gebucht. Der Hinflug erfolgt mit JAL. Beim Rückflug erfolgt der Flug von Tokyo nach Helsinki mit JAL und der Flug von Helsinki nach Frankfurt mit Finnair.  Nun wurde der Flug von Helsinki nach Frankfurt mit Finnair annulliert und Sie fragen nach der Möglichkeit, die gesamte Buchung zu stornieren.

(1) Stornierung des Rückfluges

Sie könnten zunächst einmal die Möglichkeit haben, den gesamten Rückflug kostenfrei zu stornieren. Dieser Anspruch könnte sich aus der Europäischen Fluggastrechteverordnung ergeben. Die VO Nr. 261/2004 kommt dann zu tragen, wenn eine Annullierung des Fluges vorliegt. 

EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)

Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.

In Ihrem Fall wurden die zweite Strecke von Helsinki nach Frankfurt annulliert. Der erste Flug findet jedoch unverändert statt. Sie fragen sich nun, ob Sie auch den ersten Flug kostenfrei stornieren kann. Das ist meines Erachtens nur dann der Fall, wenn Sie beide Flüge als einheitliche Buchung bei einer Fluggesellschaft gebucht haben. Es ist also entscheidend, ob ein Gesamtflug gebucht wurde. Nur dann könnte sich meines Erachtens ein Anspruch auf eine Erstattung auch des Langstreckenfluges möglich sein. Dafür könnte zum einen sprechen, dass Sie beide Flüge über seat24.de in einem Schritt gebucht. Außerdem ist die Wahrnehmung des Langstreckenfluges für Sie ohne den ersten Flug unmöglich. Dagegen könnte jedoch sprechen, dass beide Flüge durch unterschiedliche Fluggesellschaften wahrgenommen werden. Von einer einheitlichen Buchung ist meines Erachtens beispielsweise dann auszugehen, wenn ein Fall des sogenannten Code-Sharing vorliegt. Codesharing ist ein Verfahren, bei dem zwei oder mehrere Fluggesellschaften einen Flug teilen. Dabei führt eine Fluggesellschaft den Flug aus, die andere tritt als Vertriebspartner auf und verkauft Flugscheine für diesen Flug im eigenen Namen. 

Falls also ein einheitlich gebuchter Flug vorliegt, haben Sie gem. Art. 8 VO Nr. 261/2004 einen Anspruch auf die gesamte Erstattung der Flugscheinkosten: 

Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten (...)

b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

Sie hätten gem. Art. 8 Abs. 1a) also einen Anspruch auf eine vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten bezüglich des Rückfluges. 

(2) Stornierung der gesamten Reise

Sie fragen nun weiterhin nach der Möglichkeit, die gesamte Reise zu stornieren. Da der Hinflug jedoch wie geplant stattfindet, kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug betrachtet werden. Denn dann würde sich der Stornierungsanspruch des Hinfluges auch auf den Rückflug erstrecken. 

Nach gefestigter Rechtsprechung sind Hin- und Rückflug jedoch nicht einheitlich, sondern als zwei unterschiedlich zu beurteilende Flüge zu bewerten. Dazu folgende Urteile: 

EuGH, Urt. v. 10.07.2008, Az: C‑173/07 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: C‑173/07 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)

Der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass eine Hin- und Rückreise nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden können.

AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 261 C 13238/16 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)

Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 meint Hin- und Rückflug jeweils getrennt voneinander. Auch wenn alle Flüge von der gleichen Fluggesellschaft durchgeführt und gemeinsam gebucht werden.

Selbst wenn man von einem einheitlich gebuchten Flug ausgeht und damit die Stornierung des Rückfluges möglich ist, haben Sie meines Erachtens leider eher keinen Anspruch auch den Hinflug zu stornieren. 

(3) Ansprechpartner 

Falls ein Anspruch auf die Erstattung des Rückfluges vorliegt, ist nun noch zu klären, wer der Ansprechparnter ist. Zunächst ist festzustellen, dass seat24.de als Ansprechpartner ausscheidet, denn dieser ist nur der Reisevermittler und damit nicht Ihr Vertragspartner. 

Ansprechpartner ist nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung das ausführende Luftfahrtunternehmen. Falls Sie also einen einheitlichen Flug gebucht haben, ist Ansprechpartner die Fluggesellschaft, die die Flugscheine im eigenen Namen verkauft hat. 

Weil es sich hierbei allerdings nur um meine persönliche Einschätzung handelt und kein Rechtsrat darstellen soll, empfehle ich jedoch das Einschalten eines Anwalts. 

Beantwortet von (17,810 Punkte)
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