Sie haben einen Flug von Frankfurt über Helsinki nach Tokyo und zurück gebucht. Der Hinflug erfolgt mit JAL. Beim Rückflug erfolgt der Flug von Tokyo nach Helsinki mit JAL und der Flug von Helsinki nach Frankfurt mit Finnair. Nun wurde der Flug von Helsinki nach Frankfurt mit Finnair annulliert und Sie fragen nach der Möglichkeit, die gesamte Buchung zu stornieren.
(1) Stornierung des Rückfluges
Sie könnten zunächst einmal die Möglichkeit haben, den gesamten Rückflug kostenfrei zu stornieren. Dieser Anspruch könnte sich aus der Europäischen Fluggastrechteverordnung ergeben. Die VO Nr. 261/2004 kommt dann zu tragen, wenn eine Annullierung des Fluges vorliegt.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
In Ihrem Fall wurden die zweite Strecke von Helsinki nach Frankfurt annulliert. Der erste Flug findet jedoch unverändert statt. Sie fragen sich nun, ob Sie auch den ersten Flug kostenfrei stornieren kann. Das ist meines Erachtens nur dann der Fall, wenn Sie beide Flüge als einheitliche Buchung bei einer Fluggesellschaft gebucht haben. Es ist also entscheidend, ob ein Gesamtflug gebucht wurde. Nur dann könnte sich meines Erachtens ein Anspruch auf eine Erstattung auch des Langstreckenfluges möglich sein. Dafür könnte zum einen sprechen, dass Sie beide Flüge über seat24.de in einem Schritt gebucht. Außerdem ist die Wahrnehmung des Langstreckenfluges für Sie ohne den ersten Flug unmöglich. Dagegen könnte jedoch sprechen, dass beide Flüge durch unterschiedliche Fluggesellschaften wahrgenommen werden. Von einer einheitlichen Buchung ist meines Erachtens beispielsweise dann auszugehen, wenn ein Fall des sogenannten Code-Sharing vorliegt. Codesharing ist ein Verfahren, bei dem zwei oder mehrere Fluggesellschaften einen Flug teilen. Dabei führt eine Fluggesellschaft den Flug aus, die andere tritt als Vertriebspartner auf und verkauft Flugscheine für diesen Flug im eigenen Namen.
Falls also ein einheitlich gebuchter Flug vorliegt, haben Sie gem. Art. 8 VO Nr. 261/2004 einen Anspruch auf die gesamte Erstattung der Flugscheinkosten:
Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten (...)
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Sie hätten gem. Art. 8 Abs. 1a) also einen Anspruch auf eine vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten bezüglich des Rückfluges.
(2) Stornierung der gesamten Reise
Sie fragen nun weiterhin nach der Möglichkeit, die gesamte Reise zu stornieren. Da der Hinflug jedoch wie geplant stattfindet, kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug betrachtet werden. Denn dann würde sich der Stornierungsanspruch des Hinfluges auch auf den Rückflug erstrecken.
Nach gefestigter Rechtsprechung sind Hin- und Rückflug jedoch nicht einheitlich, sondern als zwei unterschiedlich zu beurteilende Flüge zu bewerten. Dazu folgende Urteile:
EuGH, Urt. v. 10.07.2008, Az: C‑173/07 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: C‑173/07 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass eine Hin- und Rückreise nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden können.
AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 261 C 13238/16 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 meint Hin- und Rückflug jeweils getrennt voneinander. Auch wenn alle Flüge von der gleichen Fluggesellschaft durchgeführt und gemeinsam gebucht werden.
Selbst wenn man von einem einheitlich gebuchten Flug ausgeht und damit die Stornierung des Rückfluges möglich ist, haben Sie meines Erachtens leider eher keinen Anspruch auch den Hinflug zu stornieren.
(3) Ansprechpartner
Falls ein Anspruch auf die Erstattung des Rückfluges vorliegt, ist nun noch zu klären, wer der Ansprechparnter ist. Zunächst ist festzustellen, dass seat24.de als Ansprechpartner ausscheidet, denn dieser ist nur der Reisevermittler und damit nicht Ihr Vertragspartner.
Ansprechpartner ist nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung das ausführende Luftfahrtunternehmen. Falls Sie also einen einheitlichen Flug gebucht haben, ist Ansprechpartner die Fluggesellschaft, die die Flugscheine im eigenen Namen verkauft hat.
Weil es sich hierbei allerdings nur um meine persönliche Einschätzung handelt und kein Rechtsrat darstellen soll, empfehle ich jedoch das Einschalten eines Anwalts.