Sie haben einen Flug über Flysmarter bei Air France gebucht. Nun wurden Ihr Flug jedoch um einen Tag vorverlegt. Sie möchten nun gerne die Erstattung der Flugscheinkosten. Allerdings weigert sich die Fluggesellschaft und das Reisebüro ist nur gegen die Erhebung einer Gebühr zur Stornierung bereit.
Fraglich ist daher zunächst, wer in Ihrem Fall überhaupt der Anspruchsgegner ist, das Reisebüro oder die Fluggesellschaft.
Grundsätzlich und rein rechtlich ist es so, dass Sie den Anspruch auf die Erstattung der Flugscheinkosten bzw. die Auszahlung des Flugpreises gegen Air France allein haben. Die für Ihre Ansprüche relevante EG-Verordnung Nr. 261/2004 regelt die Ansprüche der Fluggäste gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Den Flugbeförderungsvertrag haben Sie mit Air France abgeschlossen, ebenfalls Air France hat den Flug auch storniert, mit dem Reisebüro ist lediglich ein Vermittlungsvertrag zustande gekommen.
Außerhalb von dieser extremen Pandemie-Situation würde die Erstattung über das Reisebüro vielleicht auch problemlos funktionieren, denn das Buchungssystem der Luftfahrtorganisation IATA ermöglicht es, dass Zahlungen zwischen Vermittlern und Fluggesellschaften hin und her fließen und Reisebüros bei Erstattungen von Tickets das Geld von den Airlines wieder anfordern können. Im Moment soll aber die Anforderung für die Vermittler nicht mehr möglich sein, weil Fluggesellschaften diesen Kanal abgestellt haben, sodass die Vermittler von Flugtickets eben nur die Gutscheine und keine Erstattung anbieten können. Wie dem auch sei, rechtlich ist und bleibt es so – Air France ist Ihr Anspruchsgegner bei der Erstattung der Flugscheinkosten, sofern Sie natürlich über das Reisebüro lediglich den Flug und keine Pauschalreise oder Ähnliches gekauft haben.
Der Anspruch auf eine Erstattung der Flugkosten könnte sich aus der europäischen Fluggastrechteverorndung. Die Ansprüche aus der Verordnung kommen dann in Betracht, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt. Fraglich ist, ob sich solche Ansprüche auch bei einer Vorverlegung ergeben:
AG Düsseldorf, Urt. v. 14.08.2014, Az: 231 C 1544/14 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 231 C 1544/14 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung, wegen der Vorverlegung ihres gebuchten Fluges nach Fuerteventura. Dieser wurde insgesamt 9 Stunden vorverlegt.
Das Amtgericht Düsseldorf spricht der Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 5, 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu. Bei der Vorverlegung handele es sich um eine Flugannullierung im Sinne der Fluggastverordnung, da die ursprüngliche Planung des Fluges vollständig aufgeben wurde.
AG Hannover, Urt. v. 11.04.2011, Az: 512 C 15244/10 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 512 C 15244/10 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Wird der Abflug eines Flugzeugs um mehr als zehn Stunden vorverlegt, so gleicht es einer Annullierung.
Da Ihr Flug um mehr als 10 Stunden vorverlegt wurde wird diese Vorverlegung wie eine Annullierung behandelt.
Ansprüche ergeben sich dann aus Artikel 5 der Europäischen Fluggastrechteverordnung:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet (...)
Der Anspruch auf eine Erstattung ergibt sich aus Artikel 8 VO Nr. 261/2004:
Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
- einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Sie haben gem. Art. 8 Abs. 1a) also einen Anspruch auf eine vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde.
In Art. 7 Abs. 3 steht folgendes geschrieben:
(3) Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.
Sie haben also grundsätzlich einen Anspruch auf eine Erstattung in Geld. Einen Reisegutschein darf die Fluggesellschaft Ihnen nur dann geben, wenn Sie zustimmen. Daher können Sie meines Erachtens die Erstattung in Geld fordern. Dabei ist irrelevant aus welchem Grund der Flug storniert wurde. Der Fluggast hat immer einen Anspruch auf die Erstattung der Flugscheinkosten, auch wenn der Flug aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes annulliert wurde.
Weil es sich hierbei allerdings nur um meine persönliche Einschätzung handelt und kein Rechtsrat darstellen soll, empfehle ich jedoch das Einschalten eines Anwalts.