Hallo lieber Fragesteller,
neben der frage, ob ein (1) Verlust von Teilstücken aus dem Gepäck überhaupt ersatzfähig ist und welche Ansprüche bei einer (2) Gepäckverspätung bestehen, stellt sich auch die Frage danach, wer bei einem (vermuteten) (3) Diebstahl überhaupt haftet. Darüber hinaus sind gerade bei dem Verlust von Wertgegenständen die (4) Haftungsgrenzen und Haftungsausschlussgründe zu beachten.
(1) Teilverlust
Der Verlust von nur wenigen Gegenständen aus dem Gepäck wie auch die Beschädigung oder die Gepäckverspätung als Gepäckschaden zu qualifizieren. Damit sind die verloren gegangenen Sachen grundsätzlich nach Art. 17 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen (MÜ) ersatzfähig.
Der Teilverlust ist dabei ein Unterfall der Beschädigung, womit insbesondere die Anzeigefristen für eine Gepäckbeschädigung zu beachten sind. Nach Art. 31 Abs. 2 MÜ unverzüglich nach der Schadensentdeckung und in jedem Fall binnen einer Ausschlussfrist von 7 Tagen anzeigen.
(2) Gepäckverspätung
Auch eine Gepäckverspätung ist ein Gepäckschaden im juristischen Sinn. Nach Art. 19 MÜ hat die Fluggesellschaft den Schaden zu ersetzten, den der Reisende infolge der Verspätung erleiden musste. Das sind in erster Linie Ausgaben für Noteinkäufe und Ersatzkleidung.
(3) Diebstahl
Normalerweise ist der Luftfrachtführer, also die Fluggesellschaft, Anspruchsgegner. Gerade bei einem (vermutetem) Diebstahl stellt sich jedoch die Frage danach, wer den tatsächlich haften muss.
Bei deliktischen Handlungen haftet der Täter. Ausschlaggebend ist dann, dass der Verantwortliche den Schaden nicht bei der Verrichtung seiner Aufgaben hervorgerufen hat. Wenn etwa bei der Gepäckverladung ein Koffer beschädigt wird, dann kommt der Luftfrachtführer und nicht der Angestellte für den Schaden auf – solche kleinen Unfälle passieren eben bei der Arbeit. Anders bei deliktischem Handeln: Hier ist der Täter eigenverantwortlich.
Praktisch wird es schwer nachzuweisen sein, dass tatsächlich ein Diebstahl vorliegt. Wenn also nicht der Verantwortliche herangewogen werden kann, ist der Fall wie ein normaler Gepäckschaden zu behandeln und der Luftfrachtführer bleibt Ansprechpartner.
Folglich sind besonders die Haftungsausschlussgründe zu beachten.
(4) Haftungsgrenzen und Haftungsausschlussgründe
Bei einem Gepäckschaden gelten die Haftungsgrenzen und die Haftungsausschlussgründe des Montrealer Übereinkommen.
Haftungsgrenzen
Der Schadensersatz nach dem Montrealer Übereinkommen ist nach Art. 22 Abs. 2 MÜ auf 1.131 Sonderziehungsrechte (momentan etwa 1.294 €) beschränkt.
Bei einem Diebstahl haftet die Airline gem. Art. 22 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen i. V. m. Art. 22 Abs.5 Montrealer Übereinkommen in unbegrenztem Maße.
OLG Frankfurt, Urteil vom 21.11.2013, Az. 16 U 98/13 (zu finden als erstes Ergebnis in der Liste nach der google-Sucheingabe „16 U 98/13 reise-recht-wiki“)
Die unbeschränkte Haftung der Fluggesellschaft bei Vorliegen eines Diebstahls wurde bejaht. Dem Gericht reichten dabei mehrere Tatumstände, die auf einen Diebstahl hinwiesen. Die Tat selbst musste nicht genau rekonstruiert werden.
Haftungsausschluss
Der unbegrenzten Haftung steht jedoch ein eventuelles Mitverschulden des Passagiers entgegen.
In den Zeiten von Massentourismus muss der Reisende damit rechnen, dass sein Gepäck verloren geht oder beschädigt wird. Zumindest der Schadenshöhe nach hat der Passagier demnach einen Schaden dann mitzuverschulden, wenn er besonders wertvolle Gegenstände im aufzugebenden Gepäck transportiert, wenn gleichzeitig eine Beschädigung/ ein Verlust von diesem Gepäck durchaus möglich ist.
Ausschlaggebend für einen Haftungsausschluss sind dabei vor allem zwei Umstände:
1. Bei den beschädigten/ verloren gegangenen Gegenständen handelt es sich um Gegenstände mit besonders hohem Wert.
LG Korneuburg, Urteil vom 04.06.2013, Az. 21 R 60/13s (zu finden als erstes Ergebnis in der Liste nach der google-Sucheingabe „21 R 60/13s reise-recht-wiki“)
Ein Laptop muss nicht auch zwangsläufig ein Wertgegenstand sein. Es kommt auf das konkrete Modell an.
2. Der Gegenstand hätte der Größe und dem Gewicht nach auch im Handgepäck untergebracht werden können.
AG Bad Homburg, Urteil vom 26.08.1997, Az. 2 C 2694/93-19 – Mitverschulden bejaht
Haftungsausschluss für eine Armbanduhr, die der Größe nach hätte im Handgepäck untergebracht werden können.
Tipp: Um Wertgegenstände sorgenfrei auch im aufzugebenden Gepäck befördern zu können, ohne einen Haftungsausschluss befürchten zu müssen, gibt es die Möglichkeit einer Interessendeklaration. Gegen ein Entgelt werden die beförderten Gegenstände vor der Abreise bei der Fluggesellschaft angemeldet. Im Schadensfall haftet diese dann unbeschränkt/ nach Maßgabe der individuellen Haftungsvereinbarung.