Hallo, lieber Fragesteller!
Zu Ihren Fragen:
(1) Ja, das muss Condor. Vergleichen Sie dazu auch Art. 5, Abs. 3 der Verordnung 261/2004:
„(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
Umgekehrt würde dieser Satz heißen – wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen sich von der Ausgleichszahlungspflicht befreien will, muss es nachweisen, dass außergewöhnliche Umstände vorlagen und keine Vermeidungsmaßnahmen möglich waren. Ob Condor Ihnen gegenüber die Einzelheiten offenbaren und Beweise erbringen wird wage ich zu bezweifeln.
(2) und (3) Wie in diesem Thread bereits angesprochen ist die Antwort auf die Frage, ob außergewöhnliche Umstände auch für Verspätungen der Folgeflüge gelten, von den Einzelheiten des jeweiligen Falles abhängig zu machen. Meiner Meinung nach werden solche Fälle strenger behandelt, als Flugverspätungen auf Grund von außergewöhnlichen Umständen auf den „eigentlichen“ Flügen. Ich finde, man kann das am besten an Beispielen einschätzen. Ich kopiere für Sie einfach eine Passage aus meiner Antwort auf eine ähnliche Frage:
LG Darmstadt, Urteil vom 6. November 2013, Aktenzeichen 7 S 208/12: 26-stündige Verspätung auf dem Flug von Hurghada nach München. Das für den Flug vorgesehene Flugzeug musste auf dem Vorflug von München nach Ägypten auf Grund von Brandgeruch in der Kabine, verursacht durch technische Störungen in Folge von „gewitterbedingte[n] außergewöhnlich starke[n] Turbulenzen mit einem erheblichen Absacken des Fluggerätes“, in einem nahegelegenen Flughafen außerplanmäßig landen musste. Wetterbedingungen stellen meistens einen von der Fluggesellschaft nicht beherrschbaren Umstand dar. Die Fluggesellschaft muss nicht in jedem von ihr angeflogenen Flughafen Ersatzmaschinen bereithalten. Eine sofortige Weiterbeförderung der Passagiere wäre auch insbesondere deswegen nicht möglich gewesen, weil der Flughafen, auf dem notgelandet wurde, nicht der Zielflughafen war. Darüber hinaus wurden sofort Techniker zur Überprüfung des besagten Flugzeuges eingeflogen und eine Ersatzmaschine geordert. Weitere Mittel standen dem Luftfrachtführer nach dem objektiven Ermessen nicht zur Verfügung. Die Klage wurde abgelehnt.
AG Hannover, Urteil vom 01.07.2014, Aktenzeichen 538 C 11519/13: 3 Stunden und 25 Minuten auf dem Flug von Fuerteventura nach Köln/Bonn. Extreme Wetterbedingungen, welche der haftungsausschließende Grund für die Verspätung am Vorflug waren, kann der Luftfrachtführer nicht mehr für die damit zusammenhängende Verspätung des Folgefluges geltend machen, wenn er die Flüge aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eng hintereinander taktet und keine Ersatzflugzeuge bereit hält.
AG Köln, Urteil vom 12. 05. 2014, Aktenzeichen 142 C 600/13: Ein Mitarbeiter einer Cateringfirma, die auf dem Vorflug das Flugzeug beliefert hat, einen Akku in einem Hot-Meal-Ofen vergessen. Es kam zur Rauchentwicklung und zu einem Brand, weswegen das Flugzeug notlanden musste. Die Verspätung konnte nicht mehr aufgeholt werden. Hier hat das Gericht entschieden, dass das Beliefern des Flugzeuges durch einen Caterer sehr wohl zum normalen Flugbetrieb des Luftfahrtunternehmens gehört. Die Tatsache, dass die Störung durch Dritte verursacht wurde, darf außer Acht gelassen werden, da es nicht im Sinne des Schutzes der Fluggäste wäre, eine Differenzierung vorzunehmen. Gegen die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes spricht darüber hinaus auch die Tatsache, dass, wie beim vorherigen Fall, der Luftfrachtführer die Flüge eng hintereinander getaktet und keine Ersatzmaschinen bereitgehalten hat.
AG Erding, Urteil vom 23.07.2012, Aktenzeichen 3 C 719/12: 3 Stunden und 40 Minuten Verspätung auf einem Flug von München nach Rom. Das dafür vorgesehen Flugzeug wurde auf dem Vorflug von einem Blitz getroffen. Das Flugzeug musste dann entsprechend auf Schäden überprüft werden, was zu Verspätungen auf Folgeflügen führte. Zwar ist ein Blitzschlag ein außergewöhnlicher Umstand, jedoch liegt hier dasselbe Problem wie beim obigen Urteil vor – das Luftfahrtunternehmen zu viele Flüge für die Maschine in einem zu engen Zeitraum eingeplant, sodass jegliche Probleme eine Verspätung nach sich ziehen könnten. Darüber hinaus konnte die Fluggesellschaft nicht ausreichend darlegen, dass sie alles unter personellen, materiellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mögliche unternommen hat, um die Verspätung zu vermeiden.
AG Wedding, Urteil vom 28.10.2010, Aktenzeichen 2 C 115/10: Verspätung von über 5 Stunden auf einem Flug von Málaga nach Berlin. Auf Grund von einem medizinischen Notfall mit einem Passagier auf dem Vorflug musste der Pilot zurück zum Ausgangsflughafen zurück. Ein medizinischer Notfall ist ein außergewöhnlicher Umstand. Die Fluggesellschaft konnte auch darlegen, warum die Rückkehr zum Startflughafen notwendig war. Darüber hinaus, und was viel wichtiger ist, - es handelte sich um einen außerplanmäßigen Flug, welcher außerhalb des Flugplanes für den betreffenden Tag lag und einer Genehmigung bedurfte.
Wie Sie sehen - man kann solche Fälle kaum beurteilen, wenn man die Einzelheiten zum Fall nicht kennt, da solche Einzelheiten eben entscheidend sind.
(4) Eine Bestätigung über die Flugunregelmäßigkeiten ist schön und gut, bringt aber letztendlich auch nicht viel. Meines Erachtens, stellt sie eine Bescheinigung dar, dass der Flug sich verspätet hat. Sie bedeutet aber keine Anerkennung etwaiger Schuld oder Haftung. Man kann sie vielleicht lediglich zu Beweiszwecken hinzuziehen, dass eine Verspätung überhaupt stattgefunden hat.