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Ich bin mit meiner Frau Betroffener des total verspäteten Etihad Fluges von Bangkok über Abu Dhabi nach München. Der Flug stand schon in der Presse, da sich wohl einige andere Fliegende schon an die Medien gewandt hatten. Wir saßen in Abu Dhabi im Flieger und der Flug wurde erst etwas verschoben. Der Kapitän von Etihad sagte per Ansage durch, dass er vom Tower die Meldung hat, dass das Abflugfenster eine halbe Stunde nach hinten verschoben wurde. Da war noch alles gut und keiner hat sich weiter Gedanken gemacht. 

Dann kamen immer wieder ein paar Durchsagen vom Kapitän, dass die Starterlaubnis immer noch nicht erteilt wäre und er daher noch etwas warten müsste. Dann nach 2 1/2 Stunden kam die Durchsage und der Schock: Der Kapitän sagte, dass der Flughafen und die Startbahnen geschlossen wären. Angeblich wären die Startbahnen wegen Nebel geschlossen worden und einige Lichter wären an den Landebahnen defekt, so dass er keine Starterlaubnis bekäme und die Situation abgewartet werden muss. Natürlich waren alle geschockt und wussten nicht, was los ist. Die Crew konnte uns auch die ganze Zeit nichts sagen. Dann hat der Kapitän nach ca. 4 Stunden eine Durchsage gemacht, dass es am Flughafen auch zu einigen Notfällen gekommen wäre, weshalb er weiter nicht starten könnte. Es wurde immer verrückter und dann gingen plötzlich einige Crew Leute aus dem Flugzeug und andere Etihad Mitarbeiter und andere Etihad Crew Leute kamen ins Flugzeug. Als dann auch noch der Kapitän des Flugzeugs wechselte, beschwerten sich schon einige Flugpassagiere lautstark bei der Crew und wollten den neuen Kapitän sprechen. Der neue Kapitän hat dann nach über 6 Stunden Warten !!!!!!! crying in der Maschine die Durchsage gemacht, dass er die Passagiere, die aus dem Flugzeug aussteigen wollten, nicht rauslassen kann. Der Flughafen hätte mehrere Notfälle zu versorgen und die Gates und die Hallen wären zu voll und könnten keine Passagiere mehr aufnehmen. Wir sind mit über 11 Stunden Verspätung weitergeflogen und entsprechend mit 11 Stunden Flugverspätung in München angekommen.

Ich bin fliege viel und wir verreisen als Familie auch sehr häufig, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Meine Frau war mit ihren Nerven völlig am Ende und hatte einen Nervenzusammenbruch (hat nur noch geweint). Die Crew hat zwar Essen und Getränke verteilt, aber die waren selbst völlig am Ende. Neben uns saß ein Passagier aus Italien, der mir sagte, dass er die Etihad auf jeden Fall verklagen werde. Er würde seinen Schwager, der Anwalt ist, einschalten und die Etihad auf Schadensersatz verklagen.

Ich habe auch noch eine Liste mit anderen Namen von Flugpassagieren.

Was können wir hier tun?

Kann man Etihad auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen, weil wir über 11 Stunden im Flugzeug festgehalten wurden? Die Flugzeugtüren waren zwar immer auf, aber wir durften das Flugzeug nicht verlassen (das hat der Kapitän ausdrücklich gesagt). 

Wo können wir Etihad verklagen: in Abu Dhabi oder auch in Deutschland? Wieviel Schmerzensgeld und Entschädigung kann man bei so was erwarten?

Danke schonmal für eure Hilfe!

Gefragt in Europäische Fluggastrechte von
+3 Punkte

1 Antwort

–2 Punkte

Guten Tag,

 

bei einer dermaßen hohen Verspätung können sich für Sie Ansprüche auf eine Ausgleichszahlung gegen Etihad ergeben. Das Problem besteht allerdings darin, dass der verspätete Rückflug außerhalb des Geltungsbereiches der EU-Fluggastrechteverordnung gestartet ist und Etihad zudem keine europäische Fluggesellschaft ist. Höchstwahrscheinlich ist die EU-Fluggastrechteverordnung daher nicht anwendbar. Vereinzelt werden jedoch Argumente dafür vertreten, dass Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug zu bewerten sind - da ich annehme, dass der Hinflug aus dem EU-Gebiet gestartet ist, wäre nach dieser Auffassung die Verordnung anwendbar. Diese Ansicht ist jedoch an den Gerichten auf dem Rückzug, weswegen Sie aller Voraussicht nach keine Ausgleichszahlung nach der Verordnung erhalten können.

 

Sollte sich ein Gericht dennoch für diese Ansicht entscheiden, so gilt folgendes:

Nach der EU-Fluggastrechteverordnung sowie Urteilen des EuGH kommt eine Ausgleichszahlung dann in Betracht, wenn ein Flug mit mindestens dreistündiger Verspätung am Zielflughafen ankommt. Dies ist in Ihrem Fall eindeutig geschehen.

Das Ausmaß der Ausgleichszahlung hängt dabei von der zurückgelegten Flugstrecke ab. Die Strecke Abu Dhabi – München ist länger als 3.500km. Ab einer solchen Distanz beträgt die Ausgleichszahlung 600€ pro Person, d.h. in Ihrem Fall insgesamt 1.200€. Schadensersatz darüber hinaus ist schwer vorstellbar, da Ihnen ein materieller Schaden nicht entstanden ist – so unschön die lange Wartezeit auch gewesen ist.

Allerdings muss die Ausgleichszahlung dann nicht geleistet werden, wenn Etihad belegen kann, dass die Verspätung durch außergewöhnliche Umstände herbeigeführt wurde und Etihad keine Mittel hatte, die Vespätung zu verhindern. Dies ist bei schlechten Wetterbedingungen am Flughafen wie etwa bei Nebel durchaus denkbar, da Etihad unter Umständen keine Möglichkeit hatte, bei starkem Nebel sicher zu starten. Etihad muss jedoch belegen, dass tatsächlich für das Unternehmen keine Möglichkeit bestand, zu starten – es reicht nicht aus, wenn die Airline lediglich mit dem Verweis auf vorhandenen Nebel eine Zahlung verweigert. Ob Sie die Ausgleichszahlung letztendlich erhalten, ist also nicht sicher. Sie sollten aber auf jeden Fall die Zahlung von Etihad einfordern.

Darüber hinaus ist Schmerzensgeld – gerade bei einem Nervenzusammenbruch – denkbar, wenn Etihad Sie etwa ohne erkennbaren Grund nicht aus dem Flugzeug gelassen hatte. Ob es einen Grund dafür gab, lässt sich jedoch von der Ferne nicht beurteilen, hier wird man abwarten müssen. Auch hier rechtfertigt die sehr lange Wartezeit alleine noch kein Schmerzensgeld.

Schadensersatz können Sie theoretisch nach dem Montrealer Übereinkommen verlangen. Hierzu müsste Ihnen ein Schaden entstanden sein (etwa, falls sich Ihre Frau wegen des Nervenzusammenbruchs in Behandlung begeben musste). Zudem müsste jedoch ein Verschulden von Etihad vorgelegen haben, dies lässt sich leider ebenfalls nicht aus der Ferne beweisen. Ein solcher Anspruch scheint daher eher unwahrscheinlich.

Bevor Sie direkt klagen, müssen Sie auf jeden Fall die Ausgleichszahlung bei Etihad einfordern, da eine Klage ansonsten nicht zum Erfolg führen wird. Unter Umständen hat Etihad selbst entsprechende Formulare, ansonsten können Sie auch ein formloses Dokument einsenden, aus dem hervorgeht, dass Sie für sich und Ihre Frau die Ausgleichszahlung fordern. Belegen Sie hierbei bitte auch, dass Sie Passagiere des betroffenen Fluges waren.

Sollten Sie Etihad letztendlich verklagen, so ist dies auch in Deutschland möglich.

 

Zusammengefasst: Ein Anspruch ist denkbar, aber nicht garantiert. Wenden Sie sich dafür in jedem Fall zunächst an Etihad selbst.

 

Urteile:

EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az C-402/07

(zu finden mit der Google-Suche unter "C-402/07 reise-recht-wiki")

 

Auch wenn eine große Verspätung etwas anderes ist als eine Annullierung, so können deren Folgen Passagiere genauso hart treffen. Daher haben Passagiere grundsätzlich auch bei einer Flugverspätung von mindestens drei Stunden einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung.

 

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.08.2006, Az 30 C 1370/06-25

(zu finden mit der Google-Suche unter "30 C 1370/06-25 reise-recht-wiki")

 

Nebel kann ein außergewöhnlicher Umstand sein, der von einer Airline nicht zu umgehen ist und einen Start unmöglich macht. Allerdings muss die Fluggesellschaft darlegen, wie genau sich der Nebel auf den verspäteten Flug auswirkte. Kann sie das nicht, muss sie den Passagieren eine Ausgleichszahlung erbringen.

 

BGH, Urteil vom 14.10.2010, Az Xa ZR 15/10

(zu finden mit der Google-Suche unter "Xa ZR 15/10 reise-recht-wiki")

 

Wenn ein Flug wegen schlechten Wetters annulliert wurde, muss die Airline mehr darlegen als die Tatsache, dass dies bereits bei anderen Flügen notwendig war. So muss sie etwa belegen, welche Möglichkeiten sie gehabt hätte, etwa eine Ersatzmaschine starten zu lassen oder auf bessere Wetterbedingungen zu warten.

 

 

Beantwortet von (6,200 Punkte)
Bearbeitet von
–2 Punkte
600 EUR pro Person ist doch Quatsch, das kann man nur nach der EU Richtlinie 261/2004 fordern, aber das geht bei Etihad gerade nicht, weil Etihad keine Fluggesellschaft aus Europa ist. Damit sind auch die ganzen Urteile, die Du hier zitierst hinfällig, weil die sich alle auf die EU Richtlinie 261/2004 beziehen.

Der Fall ist kompliziert. Es wäre schön, wenn sich hier ein Rechtsanwalt oder Spezialist findet, der mal Licht in die Sache bringt.
Vielen Dank für den Hinweis, Ihr Einwand ist natürlich richtig. Allerdings gibt es in der Rechtsprechung noch Stimmen, die einen Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug werten (zustimmend etwa AG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.09.2006, Az 30 C 1565/06-25; ablehnend jedoch AG Düsseldorf, Urteil vom 08.04.2008, Az 23 C 14910/07). Da inzwischen der BGH dazu neigt, hier unterschiedliche Flüge anzunehmen, ist allerdings ein Anspruch nach der EU-Fluggastrechteverordnung tatsächlich sehr unwahrscheinlich. Für den Fall, dass der Fragesteller hier beide Flüge zeitgleich gebucht hatte - was ja nicht ungewöhnlich ist - habe ich meine Antwort der Vollständigkeit halber angepasst.
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