Hallo, lieber Fragesteller!
Als Rechtsgrundlage käme in Ihrem Fall die Verordnung 261/2004 infrage. Damit der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, müssen auf Ihr Flug folgende Eigenschaften zutreffen:
-
Start auf einem Flughafen in einem Mitgliedsstaat oder
-
Start auf einem Flughafen im Drittstaat, Ziel im Mitgliedsstaat mit einer Fluggesellschaft der Gemeinschaft
Da Sie schreiben, dass die Fluggesellschaft AB war, sollten beide Voraussetzungen erfüllt sein, es sei denn, sowohl Ihr Start- als auch Zielflughafen lagen beide in Drittstaaten.
Nun handelt es sich hier um ein Fall der Nichtbeförderung. Gem. Art. 2, li. j), VO 261/2004 ist es:
„die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen; „
Art. 3, Abs. 2 VO sagt folgendes (ich fasse jetzt einfach das Wichtigste zusammen):
„Der Fluggast muss:
-
eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen
-
wie vorgegeben und zu der [...] angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden oder
-
spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden.
Da Sie Ihre Bordkarten erhalten haben und es auch erst bei Boarding Probleme gegeben hat, gehe ich davon aus, dass Sie sich auch rechtzeitig am Schalter eingefunden haben, sonst hätten Sie ja auch keine Bordkarten bekommen. Insofern ist es ein klassischer Fall von Nichtbeförderung wegen Überbuchung.
Die Erklärung der Fluggesellschaft, Sie seien selbst daran Schuld, dass das Flugzeug schon voll ist, weil Sie nicht früh genug am Check-in waren halte ich für höchst amüsant. Als würde es nach dem Prinzip gehen „wer zuerst kommt, malt zuerst“.
Es ist eine übliche und legale Praxis, dass Fluggesellschaften circa 10% mehr Tickets verkaufen, als es Plätze im Flugzeug gibt. Erfahrungsgemäß gibt es immer Fluggäste, die trotz Buchung den Flug nicht antreten. Sollte es aber wegen Überbuchung Platzmangel geben, dann tragen Fluggesellschaften aber auch die volle Haftung dafür.
Art. 4 der VO regelt die Fälle der Nichtbeförderung. Zunächst muss die Fluggesellschaft versuchen, jemanden zu finden, der freiwillig auf seine Buchung verzichtet. Finden sich keine, so darf Fluggästen die Beförderung verweigert werden. Abs. 3 schreibt dann aber folgendes vor:
„(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9. „
Ausgleichsleistungen würden je nach Strecke 250 bis 600 Euro pro Person betragen. Die Unterstützungsleistungen nach Art. 8 umfassen anderweitige Beförderung oder Flugpreiserstattung. Die Betreuungsleistungen nach Art. 9 umfassen Mahlzeiten, Getränke, Hotelübernachtungen, Telefonate, Taxikosten.
Sollten Sie etwaige Ausgaben im Zusammenhang mit dem Warten auf einen anderen Flug getätigt haben, können Sie die Erstattung der Kosten dafür von der Fluggesellschaft verlangen.
Folgende Urteile sind im Zusammenhang mit dem Thema lesenswert:
Hanseatisches OLG, Urteil vom 06. November 2007, Az. 6 U 94/07
LG Lübeck, Urt. v. 22. April 2010, Az. 14 S 264/09
AG Frankfurt am Main, Urt. v. 25. Januar 2007, Az. 29 C 499/06-46