Sehr geehrter Fragesteller!
Neben formalen Voraussetzungen (wie Anwendbarkeit der Verordnung 261/2004 u. Ä.), müssen in Ihrem Fall weitere Fragestellungen geklärt werden.
(1) Einheitlichkeit des Fluges
Da Sie auf dem Weg zu Ihrem endgültigen Reiseziel umsteigen mussten und der Flug aus zwei Segmenten bestand, müsste geklärt werden, ob es sich bei um einen „einheitlichen“ Flug handelt, oder nicht. Das ist schwierig mangels Kenntnis vertraglicher Vereinbarungen schwierig zu beantworten. Eine einheitliche Definition gibt es dazu auch nicht. Im Allgemeinen könnte man sagen, dass ein einheitlicher Flug wohl dann vorliegen würde, wenn beide Flugsegmente unter derselben Flugnummer durchgeführt werden.
In folgenden Urteilen wurde den Fluggästen eine Ausgleichszahlung trotz verschiedener Flugnummer zugesprochen:
AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 05. Dezember 2006, Az. 14 C 248/06
„Es ist von einer einheitlichen Flugbuchung auszugehen, insbesondere auch auf Grund der Ausstellung der Bordkarten für die gesamte Flugstrecke bereits in St. Petersburg (vgl. dazu auch AG Hamburg, RRa 2006, 135 n.rkr.). Dort waren die Kläger ca. eineinhalb Stunden vor der geplanten Abflugzeit an dem Abfertigungsschalter und damit rechtzeitig i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. a VOerschienen.“
LG Leipzig, Urt. v. 10. November 2008, Az. 6 S 319/08
“Die Kläger hatten mit einheitlichem Flugschein einen Flug von Leipzig nach Madrid über Frankfurt a.M. bzw. einen Flug über Madrid nach Leipzig über Frankfurt a.M. gebucht. Die Beförderung sollte daher nach der Vereinbarung zwischen den Parteien in zwei Abschnitten Leipzig – Frankfurt a.M. und Frankfurt a.M. – Madrid erfolgen. Sämtliche Teile der jeweiligen Beförderung waren von der Beklagten zu erbringen. Die Kläger hatten insbesondere nicht zweimal zwei Flüge gebucht; ihnen waren nicht jeweils zwei Flugscheine, einer für einen Flug Leipzig – Frankfurt a.M. und einer für einen Flug Frankfurt a.M. – Madrid bzw. retour ausgestellt worden. Vielmehr war zwischen den Parteien ein einheitlicher Vertrag über einen aus mehreren Abschnitten bestehenden, einheitlich von der Beklagten durchzuführenden Flug geschlossen worden.“
EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Az. C-11/11
„[…]dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt.“
In folgenden Urteilen entschieden sich die Gerichte zulasten der Fluggäste:
LG Köln, Urt. v. 19. August 2008, Az. 11 S 350/07
BGH, Urt. v. 30. April 2009, Az. Xa ZR 79/08
„Einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, steht kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Verordnung zu.
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht sind und von demselben Luftverkehrsunternehmen durchgeführt werden.“
Die letztere Entscheidung wurde in zwei weitere Urteilen des BGH bekräftigt (13.11.2012, Az.: X ZR 12/12 und X ZR 14/12). Wird der Anschlussflug außerhalb der Europäischen Union angetreten, so besteht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Um es zusammenzufassen – es könnte ein Anspruch bestehen, bei einem Anschlussflug außerhalb der EU müssten die Voraussetzungen genau geprüft werden.
(2) Ankunftsverspätung
Sie schreiben, dass Sie Ihr Ziel mit einer Verspätung von „etwa“ vier Stunden erreicht haben. Dieses „etwa“ kann (vorbehaltlich der Anwendbarkeit der Verordnung) eine sehr große Rolle spielen. Gem. Art. 6, Abs. 1, li. c) Verordnung 261/2004 muss die Verspätung bei einer Entfernung von mehr als 3.500 km mindestens 4 Stunden betragen. Wird es knapp oder beträgt die Verspätung nur einige Minuten weniger oder mehr, könnte es bereits problematisch werden.
Der Europäische Gerichtshof beschäftigte sich bereits mit der Frage, ab welchem Zeitpunkt das Flugzeug als „angekommen“ bezeichnet werden kann (Urt. v. 04.09.2014, Az. C-452/13) und kam zu der Entscheidung, dass:
„Der Zeitpunkt der tatsächlichen Ankunft eines Flugzeuges im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist der, in dem das Flugzeug nach der tatsächlichen Landung mindestens eine Tür zum Aussteigen der Passagiere öffnet.“ Im vorliegenden Fall landete das Flugzeug mit eine Verspätung 3 Stunden und 3 Minuten am Zielort, kurze Zeit darauf wurden Flugzeugtüren geöffnet.