Lieber Fragesteller,
Ihr Condor Flug DE 2214 von München nach Varadero landete mit einer Verspätung von über 7 Stunden am Zielflughafen. Durch diese Verspätung haben Sie Ihren ersten Urlaubstag verloren, weshalb Sie sich nun für mögliche Zahlungsansprüche gegen die Condor interessieren. Dabei ist zu beachten, dass die Condor als Grund für die Verspätung einen technischen Defekt angibt.
Die Anwendbarkeit, sowie die Anspruchsgrundlage gemäß Art. 7 Fluggastrechte Verordnung (VO) wurden schon zur Genüge thematisiert. Ich möchte vorrangig auf die Exkulpationsmöglichkeit gemäß Art. 5 Abs. 3 VO eingehen. Demnach kann die Haftung des zuständigen Luftfahrtunternehmens ausgeschlossen sein, wenn ein außergewöhnlicher Umstand vorlag, welche auch dann nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte.
In Ihrem Fall hat die Condor einen technischen Defekt als Verspätungsgrund angegeben. Es ist generell umstritten, ob ein technischer Defekt einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann. Eine relativ neue Gerichtsentscheidung des EuGH bringt etwas Licht ins Dunkel.
EuGH, Urteil vom 17.09.2015 Az. C-257/14 (Das ist ein äußerst aktuelles und interessantes Thema im Bereich der Fluggastrechte. Ganz einfach zu finden, wenn du „EuGH C 257/14 bei reise-recht-wiki“ eingibst)
Der EuGH entschied hier, dass das Luftfahrtunternehmen den Fluggästen auch dann eine Ausgleichszahlung entrichten muss, wenn der Grund der Annullierung auf einen technischen Defekt zurückzuführen ist. Es ist umstritten ob und wann ein technischer Defekt einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs.3 VO darstellt. Der EuGH urteilte, dass das Luftfahrtunternehmen grundsätzlich wegen unerwarteter technischer Probleme Ausgleich leisten müsste. Jedoch können bestimmte technische Probleme die Luftfahrtunternehmen von ihrer Ausgleichspflicht befreien.
In dem Fall, welcher dem EuGH vorlag, landete das Flugzeug der Klägerin in Amsterdam mit einer Verspätung von 29 Stunden. Nach Angaben der Fluggesellschaft war die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände, nämlich eine Kombination von Mängeln zurückzuführen: Zwei Teile, die Kraftstoffpumpe und die hydromechanische Einheit, seien defekt gewesen. Diese Teile, die nicht verfügbar gewesen seien, hätten per Flugzeug aus Amsterdam geliefert werden müssen, um sodann in das betreffende Flugzeug eingebaut zu werden. Die Fluggesellschaft wies ferner darauf hin, dass bei den defekten Teilen die durchschnittliche Lebensdauer nicht überschritten gewesen sei. Auch habe deren Hersteller keinen spezifischen Hinweis gegeben, der darauf hindeutete, dass bei diesen Teilen ab einem bestimmten Alter Mängel auftreten könnten. In seinem Urteil weist der EuGH zunächst darauf hin, dass aus seiner Rechtsprechung hervorgeht, dass technische Probleme tatsächlich zu den außergewöhnlichen Umständen zählen können. Die Umstände im Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Probleme können jedoch nur dann als "außergewöhnlich" eingestuft werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist. Er entschied daher, dass in diesem Fall ein außergewöhnlicher Umstand zu verneinen sei. Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein Ausfall, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellt. Dennoch bleibt ein solcher Ausfall untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, das vom Luftfahrtunternehmen oft unter schwierigen oder gar extremen Bedingungen, insbesondere Wetterbedingungen, betrieben wird, wobei kein Teil eines Flugzeugs eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Daher ist dieses unerwartete Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, und das Luftfahrtunternehmen sieht sich dieser Art von unvorhergesehenen technischen Problemen gewöhnlich gegenüber. Im Übrigen ist die Vorbeugung eines solchen Ausfalls oder der dadurch hervorgerufenen Reparatur, einschließlich des Austauschs eines vorzeitig defekten Teils, vom betroffenen Luftfahrtunternehmen zu beherrschen, da es seine Aufgabe ist, die Wartung und den reibungslosen Betrieb der Flugzeuge, die es zum Zweck seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten betreibt, sicherzustellen.
Durch dieses Urteil wird deutlich, dass hohe Voraussetzungen an Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes gestellt werden. Dies stärkt die Position des Fluggastes gegenüber der Airline, da sich diese nun noch seltener der Haftung gemäß Art. 7 VO entziehen kann.
Vergleicht man dieses Urteil nun mit Ihrem Fall, sind einige Parallelen zu ziehen. Zwar wurde Ihr Flug nicht annulliert, sondern hatte eine Verspätung, dass muss sich jedoch nicht auf das Ergebnis auswirken. Was für ein technischer Defekt genau vorlag geht aus Ihren Ausführungen leider nicht hervor. Ich gehe aber auch davon aus, dass sich die Fluggesellschaft nur wenig dazu geäußert haben wird. Gerade das muss sie aber tun. Es liegt in der Pflicht der Fluggesellschaft den außergewöhnlichen Umstand nachzuweisen und zu belegen, dass dieser nicht vermeidbar gewesen wäre. Dies dürfte bei einem technischen Defekt jedoch oftmals schwierig sein, wie auch aus dem dargestellten Urteil hervorgeht. Mithin liegt meiner Ansicht nach in Ihrem Fall kein außergewöhnlicher Umstand vor.