Lieber Fragesteller,
Sie schildern hier eine durchaus ärgerliche Situation, die leider sehr häufig vorkommt. Ihr Flug von Antalya nach München hatte eine Verspätung. Im Falle einer Verspätung kann Ihnen ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus der europäischen Fluggastrechte Verordnung zustehen. Voraussetzung dafür ist jedoch zunächst einmal, dass Sie auch tatsächlich mit einer Verspätung an Ihrem Endziel angekommen sind. Dazu auch das folgende Urteil:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 (einfach zu finden bei Google unter „ reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Da Sie jedoch schildern, dass Sie mit einer Verspätung von über 7 Stunden gestartet sind, ist davon auszugehen, dass Sie die Zeit nicht wieder einholen konnten und somit durchaus mit einer Verspätung an Ihrem Endziel in München gelandet sind. Damit ist diese Voraussetzung gegeben.
Tatsächlich gibt es Fälle in denen eine Fluggesellschaft trotz Verspätung des Fluges keine Ausgleichszahlungen leisten muss. Da ist jedoch nur der Fall, wenn ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der europäischen Fluggastrechte Verordnung vorgelegen hat. Ein solcher außergewöhnlicher Umstand kann zum Beispiel bei Streik des Bodenpersonals oder bei schlechten Wetterbedingungen vorliegen. Sie sind später losgeflogen, weil noch das Flugzeug repariert werden musste. Damit hat es sich wohl um eine Art technischen Defekt am Flugzeug gehandelt haben, der zunächst behoben werden musste. Grundsätzlich gilt jedoch, dass ein technischer Defekt in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand ist, der die Fluggesellschaft von Ausgleichszahlungen freistellt. Dies gilt selbst dann, wenn die Fluggesellschaft alle Wartungsarbeiten am Flugzeug frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat. te
Vergleichen Sie dazu bitte auch diese Urteile:
LG Darmstadt, Urteil vom 01.08.2007 - Az.: 21 S 263/06 - (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Als außergewöhnliche Umstände kommen nur solche Umstände in Betracht, die außerhalb des direkten Einfluss- und Organisationsbereichs des Flugunternehmens liegen: Die in der europäischen Flugastrechte Verordnung aufgeführten Beispiele zeigen, dass es sich hierbei grundsätzlich um Einflussfaktoren handelt, deren Entstehung außerhalb des organisatorischen und technischen Verantwortungsbereiches des Flugunternehmers liegt, die also von diesem nicht beeinflusst und demzufolge auch nicht abgewendet werden können und außerhalb der sogenannten Betriebsgefahr des Fluggerätes liegen.
Technische Defekte des Fluggerätes, die Flugsicherheitsmängel verursachen, fallen daher nur dann in den Anwendungsbereich des Art.5 III Verordnung (EG) Nr.261/2004, wenn sie auf derartige äußere Einflüsse zurückzuführen sind, also etwa witterungsbedingte Defekte (z.B. durch Blitzschlag, Hagel u.ä.), Defekte durch unautorisierte Eingriffe von betriebsfremden Dritten (z.B. Terroranschläge, durch den Fluggast selbst herbeigeführte Beschädigungen u.ä.) oder sonstige vergleichbare Umstände (z.B. Vogelschlag).
LG Darmstadt, Urteil vom 20.7.2011 –Az.: 7 S 46/11 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Sicherheitsmangel” – entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.
Allein die Seltenheit eines derartigen Defekts und/oder der zeitliche bzw. logistische Aufwand zur Beseitigung dieses Mangels, vor dessen Behebung offenbar aus zwingenden Sicherheitsgründen nicht gestartet werden durfte, entlastet den Luftfrachtführer nach Art. 5 Abs. 3 VO nicht.
Damit liegt in Ihrem Fall wohl eher kein außergewöhnlicher Umstand vor. Condor schreibt auch lediglich, dass die Verspätung auf einen unerwartet aufgetretenen Flugsicherheitsmangel zurückzuführen ist. Beachten Sie bitte jedoch, dass die Fluggesellschaften meistens mit dem pauschalen Hinweis auf außergewöhnliche Umstände oder einen "unerwartet aufgetretenen Flugsicherheitsmangel" veruschen die berechtigten Ansprüche der Fluggäste abzuwehren. Ein pauschaler Hinweis allein reicht nicht aus. Im Gegenteil: die Fluggesellschaft muss beweisen, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorlag. Dazu auch dieses Urteil:
AG Köln, Urteil vom 5.4.2006 - Az.: 118 C 595/05 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Auch wenn ein technisches Problem als ein „außerordentlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angesehen wird, muss das Luftfahrtunternehmen substantiiert vortragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist. Die Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 erforderliche Exkulpation bewirken zu können.
Ihrer Schilderung zu folge kann hier nur ein technischer Defekt in Frage kommen. Da jedoch selbst ein technischer Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, kann sich Condor damit nicht entschuldigen. Leider nennt Condor in seinem Schreiben keinen richtigen Grund, sondern nur einen unerwarteten Flugsicherheitsmangel. Wie jedoch bereits oben erwähnt, müsste Condor zunächst beweisen ob ein solcher tatsächlich vorlag und warum er unerwartet und unvermeidbar war.
Die Höhe der Ausgleichszahlungen bemisst sich nach der Entfernung und setzt sich wie folgt zusammen:
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Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
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Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
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Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Um Ihre Frage abschließend zu beantworten: Bestätigt die Verkehrszentrale nicht den unerwartet aufgetretenen Flugsicherheitsmangel, so muss Condor die Ausgleichszahlungen leisten.