Lieber Fragesteller,
du hast mit dem Reiseunternehmen TUI eine Pauschalreise gebucht. Nun musstest du leider erfahren, dass deine Flugzeiten (zu deinem Nachteil) verschoben worden sind. Durch die zweifache Verschiebung von je 9 Stunden hast du nun effektiv 18 Stunden weniger Zeit an deinem Ferienort.
Wie bereits von anderen Mitgliedern dieses Forums dargestellt worden ist, könntest du versuchen einen Minderungsanspruch gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Unerwähnt blieb bis jetzt aber, dass zusätzlich noch die Möglichkeit besteht, Ansprüche gegenüber der ausführenden Fluggesellschaft geltend zu machen.
Falls du dies anstrebst, solltest du einen Blick in die Fluggastrechte Verordnung werfen. Diese Verordnung ist eine gemeinsame Regelung des EU Parlaments und des EU Rates und beschäftigt sich mit den Rechten von Fluggästen. Insbesondere sind die rechtlichen Möglichkeiten von Fluggästen bei Nichtbeförderung, Annullierung oder (großer) Verspätung, seitens der Airlines, geregelt.
Fraglich wäre zunächst, unter welchen Begriff dein Fall zu subsumieren wäre. Auch wenn hier die Flugzeiten „nur verlegt“ werden, könnte man wohl das Vorliegen einer Annullierung annehmen. Der EuGH bejaht eine Annullierung, wenn die Fluggesellschaft ihre ursprüngliche Flugplanung aufgibt. Konkretisierend führt der Gerichtshof dazu aus, dass von einer solchen „Flugaufgabe“ ausgegangen werden kann, wenn Veränderungen bezüglich der Abflugzeiten, des Ortes, der Route, der Fluggesellschaft oder der Flugnummer auftreten.
Für weitere Informationen siehe folgendes Urteil:
EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: "EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de“)
Das Urteil im Volltext ermöglicht einen tieferen Einblick in den Bereich der Annullierung von Flügen.
In deinem Fall wäre zumindest eine Änderung bezüglich der Abflugzeiten zu bejahen. Des Weiteren ist auch die Rechtsprechung von verschiedenen Entscheidungen geprägt, in denen eine Flugverlegung als Annullierung angesehen wurde. Dabei kann sowohl eine Vorverlegung, als auch ein verspäteter Abflug eine Annahme der Annullierung begründen.
Diese Urteile könnten dich interessieren:
Vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az. C-83/10 (einfach zu finden wenn du wieder bei Google eingibst: „reise-recht-wiki EuGH C-83/10“)
Hier wurde bestätigt, dass beispielsweise auch dann eine Annullierung anzunehmen sei, wenn ein Flug auf den nächsten Tag verlegt werde.
Vgl. AG Hannover, Urteil vom 11.04.2011, Az 512 C 15244/10 (zu finden mit der Google-Suche unter „512 C 15244/10 reise-recht-wiki“)
Eine Vorverlegung eines Fluges von 10 Stunden ist wie eine Annullierung zu behandeln. Entsprechend kommen auch die Ansprüche bei einer Flugannullierung nach der Fluggastrechteverordnung in Betracht.
Ich denke, dass dein Fall mit den genannten Urteilen vergleichbar ist, sodass die Annahme einer Annullierung für mich vertretbar erscheint. Aufgrund der Annullierung können sich folgende Ansprüche ergeben:
Art. 5 VO Annullierung (gekürzt)
„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
(2) Wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden, erhalten sie Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung.
Art. 5 VO verweist somit auf Art. 7, 8 und 9 der Verordnung. Somit kommen diese als Anspruchsgrundlagen in Betracht.
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