Liebe Yvonne,
du bist am 18.03.2016 mit der Condor (Flugnummer: DE 1404) von FRA nach LPA geflogen. Dabei kam es zu einer Verspätung von 4 Stunden. Als Grund für die Verspätung gab die Condor das Vorliegen eines technischen Defekts an. Du fragst dich nun, ob du von der Condor eine Geldzahlung verlangen kannst.
Grundsätzlich ist hier die Fluggastrechte Verordnung anwendbar. Dein Flug hatte 4 Stunden Verspätung, sodass du einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 VO haben könntest. In Bezug auf Ausgleichszahlungen sind 3 Stunden sozusagen die „magische Grenze“, da der EuGH entschieden hat, dass Passagiere bei einer Verspätung von 3 Stunden die gleichen Entschädigungssätze erhalten, wie bei einer Annullierung. Hier einmal die geldwerte Auflistung:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250 €
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400 €
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600 €
Bezüglich der Verspätung ist es wichtig den Zeitpunkt der Ankunft am Zielflughafen zu kennen. Ausschlaggebend ist dabei der Zeitpunkt, zu welchem die Türen des Flugzeuges geöffnet werden. Fliegt das Flugzeug beispielsweise 4 Stunden zu spät los, gelangt aber mit einer Verspätung von 2:55 Stunden am Zielflughafen an und öffnet unter 3 Stunden die Türen, so steht dem Fluggast kein Anspruch auf eine Ausgleichzahlung zu. Zu solchen Vorfällen kann es regelmäßig kommen, da die jeweiligen Fluggesellschaften häufig etwas mehr Flugzeit miteinberechnen. Zudem ist es natürlich abhängig von der jeweiligen Flugroute, den Winden, der Beladung und ähnlichem. Falls du näheres über den maßgeblichen Verspätungszeitpunkt erfahren möchtest, lies dir doch einfach mal folgendes Urteil im Volltext durch:
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az: C-452/13 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 452/13 reise-recht-wiki.de“)
Hier hat der EuGH noch einmal verdeutlicht, dass es nicht auf die Verspätung zum Zeitpunkt des Abfluges ankommt. Vielmehr sei der Zeitpunkt maßgeblich, an dem die Türen geöffnet werden. Während des Fluges hätten sich Passagiere in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sein. Unter solchen Umständen könnten sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern. Daher stelle ein Aufenthalt im Flugzeug, der über die normale Flugzeit hinausgehe, verlorene Zeit dar.
Wenn du das Vorliegen einer Verspätung zum Türöffnungszeitpunkt bejahen kannst, sollte meiner Ansicht nach, ein Anspruch gemäß Art. 7 VO zu bejahen sein.
Es ist jedoch denkbar, dass sich die Condor der Haftung gemäß Art. 5 Abs. 3 VO entziehen kann.
Dies wäre der Fall, wenn für die Verzögerung ein außergewöhnlicher Umstand verantwortlich war, welchen die Condor auch dann nicht hätte vermeiden können, wenn sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Hier wurde auf das Auftreten eines technischen Defekts verwiesen. Ein technischer Defekt begründet in der Regel keinen außergewöhnlichen Umstand. Als Grund dafür hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung am 17.09.2015 angegeben, dass ein technischer Defekt schon deswegen keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, da der Flugbetrieb technische Probleme prinzipiell mit sich bringt. Daher sehen sich Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit gewöhnlich solchen Problemen gegenübergestellt.
Vgl. EuGH, Urteil vom 17.09.2015 Az. C-257/14 (Das ist ein äußerst aktuelles und interessantes Thema im Bereich der Fluggastrechte. Ganz einfach zu finden, wenn Du „EuGH C 257/14 bei reise-recht-wiki“ eingibst)
Ein außergewöhnlicher Umstand könnte sich höchstens bejahen lassen, wenn durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen ein Schaden an einem Flugzeug verursacht wird oder ein unerwarteter Fabrikationsfehler seitens des Herstellers auftritt.
Vgl. AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36)(ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingibst“ AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki.de“)
Zudem trifft die Airline eine Nachweispflicht. Condor müsste demnach substantiiert vortragen und darlegen, wie es zu dem außergewöhnlichen Umstand gekommen ist.
Vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (auch ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 Reise-Recht-Wiki.de")
Fazit: Ein technischer Umstand stellt meiner Ansicht nach häufig keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Dies ist aber natürlich einzelfallabhängig und muss daher stets fallbezogen geprüft werden. Oftmals geben Fluggesellschaften aber gern diesen Grund an und verunsichern die Fluggäste damit. Falls die Condor nicht auf etwaige Zahlungsaufforderungen reagiert, ist es häufig sinnvoll sich an einen auf Reiserecht spezialisierten Anwalt zu wenden.