Hallo,
du bist am 29.04.2016 mit Emirates von Mauritius nach Zürich geflogen. Leider musstest du an deinem Heimatflughafen feststellen, dass sich dein Koffer nicht auf dem Gepäckband befand. Erst 3 Wochen später, nämlich am 20. Mai 2016 wurde dir der Koffer zugestellt. Im Zuge dessen musstest du feststellen, dass die Außenhülle des Koffers von Schimmel befallen und der Inhalt sehr nass war. Glücklicherweise blieb jedoch der Großteil des Inhaltes unbeschädigt. Generell bist du mit der offerierten Entschädigung für die Beschädigung des Koffers einverstanden. Nicht einverstanden bist du jedoch mit der angebotenen Entschädigungszahlung für die Gepäckverspätung. Diese soll nämlich maximal 150 CHF betragen. Diese Summe erscheint dir nicht ausreichend, da beispielsweise Kleider, Rasierer und Schuheinlagen neu angeschafft werden mussten. Du fragst dich nun, ob du eine höhere Entschädigungszahlung verlangen kannst und ob dieser Wert konkret beziffert werden kann.
I. Gesetzliche Grundlage
Als gesetzliche Grundlage findet hier das Montrealer Übereinkommen Anwendung. Das Montrealer Übereinkommen ist als völkerrechtliches Abkommen zwischen den Unterzeichnerstaaten vorrangige Gesetzesgrundlage zur rechtlichen Bewertung von Gepäckschäden, Gepäckverlust und Gepäckverspätung im deutschen und europäischen Recht.
II. Abgrenzung Gepäckverlust und Gepäckverspätung
Es muss dabei nach der jeweiligen Schadensart unterschieden werden. So divergieren beispielsweise die Fristbestimmungen bei Verlust, Verspätung oder Beschädigung des Gepäcks. Da du dein Gepäck wieder erhalten hast und mit der Entschädigungszahlung bezüglich der Gepäckbeschädigung einverstanden bist, möchte ich hier lediglich auf die Gepäckverspätung eingehen.
Gepäckverspätung
Für Passagiere, die mit der Fluggesellschaft einen Luftbeförderungsvertrag geschlossen haben, sind überwiegend die Regelungen vom Montrealer Übereinkommen relevant. Dieses setzt in Art. 19 MÜ fest, dass der Luftfrachtführer für alle Schäden aufkommt, die der Passagier durch die Gepäckverspätung erleidet, sofern kein Fall eines Haftungsausschlusses vorliegt. Die Beweislast für diese Schäden trägt der Reisende. Er muss darlegen, dass eine erhebliche Gepäckverspätung bestand und ihm durch diese auch Zusatzkosten entstanden. Die Beweislast wiederum für das Vorliegen haftungsausschließender Gründe wie Wetterlage und Personenstreik trägt der Luftfrachtführer. Wenn kein Haftungsausschluss vorliegt kann der Geschädigte einen Anspruch auf Erstattung von Schäden, die kausal mit der Verspätung zusammenhängen, geltend machen. Dazu gehören typischerweise Ersatzkäufe für Sachen, die sich im Gepäck befinden und die der Fluggast sofort beziehungsweise täglich braucht. Wenn das Gepäck verspätet ankommt, dürfen betroffene Passagiere allgemeinhin Notkäufe tätigen — allerdings sollte sich vorher erkundigt werden, was die Airline unter „notwendigen Gütern“ versteht. Ob Zahnbürste oder Unterhose, es sollten immer die Rechnungen der Noteinkäufe aufbewahrt werden, um Ausgaben dokumentieren zu können. Häufig zahlen die Unternehmen jedoch Standardtagessätze. In solchen Fällen erhalten alle betroffenen Passagiere pro Tag eine bestimmte Summe, und zwar bis zu einer maximalen Anzahl an Tagen. Diese Entschädigungssumme sehen die Airlines dann als endgültig an, unabhängig vom tatsächlichen Schaden. Bei einer Gepäckverspätung auf dem Rückflug können zudem häufig nur geringere Geldzahlungen gefordert werden, da man häufig alles Notwendige auch zuhause hat. Es könnte sogar sein, dass sich eine Airline prinzipiell weigert eine Entschädigung zu zahlen, da der Zielflughafen gleichzeitig der Wohnort des Reisenden ist. Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass eine solche Weigerung rechtens ist, da auch im Falle der Gepäckverspätung bei einem Rückflug wahrscheinlich ist, dass der Fluggast Dinge nachkaufen musste, welche dieser sofort brauchte. Solche Ersatzkäufe könnten somit gemäß Art. 19 MÜ geltend gemacht werden.
Vgl. LG Frankfurt Urteil vom 12.10.2004, Az. 2/3 O 553/03 (einfach zu finden nach der google-Sucheingabe „2/3 O 553/03 reise-recht-wiki.de)
Bei der Reise eines Arztes verspätete sich dessen Gepäck bei dem Rückflug. Das Gepäck enthielt bestimmte medizinische Geräte. Infolge der Gepäckverspätung beklagte der Arzt einen Verdienstausfall. Das Gericht lehnte den Ersatz des Verdienstausfalles ab, weil sich dieser nicht auf das Fehlen der in dem Gepäck befindlichen Geräte zurückführen lies.
Vgl. AG Bremen, Abt. 4, Urteil v. 08.05.2007, 4 C 7/07 (einfach zu googlen unter "reise-recht-wiki.de 4 C 7/07)
Anspruchsgrundlage ist insoweit Art. 19 S. 1 des Montrealer Übereinkommens vom 28. Mai 1999. Danach hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisegepäck entsteht.
III. Haftungshöchstgrenze
Maßgebend für die Höhe der Erstattungszahlung ist Art. 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens. Die Haftungshöchstgrenze beträgt demnach 1000 Sonderentziehungsrechte. Aufgrund der Teuerungsrate in den letzten Jahren wurde diese Grenze auf 1131 Sonderentziehungsrechte erhöht. Dies führt zu einer Verbesserung der Position der Fluggäste. 1131 SZR entsprechen circa 1536 CHF.
Den aktuellen Umrechnungskurs findest du hier:
http://www.xe.com/de/currencyconverter/convert/?Amount=1131&From=XDR&To=CHF
Mithin kann ein Fluggast maximal 1536 CHF für eine Gepäckverspätung erstattet bekommen. Dies gilt pro Fluggast und nicht pro Gepäckstück. Bei Familienreisen und Paaren kommt es nämlich häufiger vor, dass nicht jeder Fluggast seinen eigenen Koffer mitnimmt, sondern auch Reisegepäck miteinander vermischt wird. Vielleicht hast auch du Gegenstände von einem Mitreisenden in dem verspäteten Koffer aufbewahrt, sodass dich folgendes Urteil interessieren könnte:
EuGH, Urteil vom 22.11.2012, Az. C-410/11 (einfach nachzulesen, wenn du bei Google folgendes eingibst: EuGH C-410/11)
„In der Rechtssache Pedro Espada Sánchez gegen gegen Iberia Líneas Aéreas de España S.A hat der europäische Gerichtshof klargestellt, dass eine Airline in solchen Fällen nicht pro Gepäckstück, sondern pro Passagier haftet.“
Das bedeutet, dass jeder einzelne Fluggast einen Anspruch auf Entschädigung für eine Gepäckverspätung oder einen Gepäckverlust hat, unabhängig davon, wie viele Gepäckstücke am Check-In aufgegeben worden sind.
Hier noch ein Urteil, welches die Haftungshöchstgrenze näher erläutert.
EuGH, Urteil vom 06.05.2010, Az: C-63/09 (Das Urteil ist sehr interessant und behandelt einige Fragen aus den EU Fluggastrechten. Du kannst das Urteil im Internet nachlesen, einfach googlen "reise-recht-wiki.de EuGH C-63/09")
In diesem Urteil wird die rechtliche Problematik der Haftungshöchstbeträge des Montrealer Übereinkommens besprochen.
Fortsetzung folgt...