Sie haben einen Flug von Frankfurt nach Kos gebucht, der sonntags um 6.15 Uhr stattfinden sollte. Am Vorabend wurde Sie darüber informiert, dass dieser aus technischen Gründen erst sonntags um 22.30 Uhr stattfinden kann. Auch diesen Flug konnten Sie wegen Überbuchung nicht wahrnehmen. Sie sind im Endeffekt montags um 14:30 Uhr geflogen.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az.: C-83/10 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: " EuGH C-83/10 reise-recht-wiki.de“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung
Sie könnten zunächst einmal einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Artikel Art. 7 VO Nr. 261/2004 haben. Dieser bestimmt sich nach der Entfernung:
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Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
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Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
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Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Zu beachten ist jedoch, dass die Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlung leisten muss, wenn außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004/EG Ursache der Verspätung waren. Die Fluggesellschaft muss beweisen, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorlag. Ein außergewöhnlicher Umstand kann zum Beispiel bei Streik des Bodenpersonals oder bei schlechten Wetterbedingugnen vorliegen.
Im vorliegenden Fall wurde Ihnen als Grund für die Verspätung ein technischer Defekt genannt. Ein technischer Defekt ist aber in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand, der die Fluggesellschaft von Ausgleichszahlungen freistellt. Dies gilt selbst dann, wenn die Fluggesellschaft alle Wartungsarbeiten am Flugzeug frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat. Vergleichen Sie dazu die folgenden Urteile:
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 -(Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: C 549/07 reise-recht-wiki" eingeben)
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat.
LG Darmstadt, Urteil vom 20.7.2011 – Az.: 7 S 46/11(Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 7 S 46/11 reise-recht-wiki" eingeben)
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Sicherheitsmangel” – entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.
Allein die Seltenheit eines derartigen Defekts und/oder der zeitliche bzw. logistische Aufwand zur Beseitigung dieses Mangels, vor dessen Behebung offenbar aus zwingenden Sicherheitsgründen nicht gestartet werden durfte, entlastet den Luftfrachtführer nach Art. 5 Abs. 3 VO nicht.
AG Köln, Urteil vom 5.4.2006 - Az.: 118 C 595/05 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 118 C 595/05 reise-recht-wiki" eingeben)
Auch wenn ein technisches Problem als ein „außerordentlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angesehen wird, muss das Luftfahrtunternehmen substantiiert vortragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist. Die Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 erforderliche Exkulpation bewirken zu können. (Leitsatz der RRa)
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 –Az.: 3 C 717/06 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 3 C 717/06 reise-recht-wiki" eingeben)
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
Sie haben einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 400 EUR pro Fluggast.
Bezüglich der Frage, ob Sie den Anspruch ein oder zweimal geltend machen kannst, bin ich mir nicht ganz sicher. Ich tendiere jedoch zu ersterem. Art. 7 VO soll den Fluggast für die entstandenen Unannehmlichkeiten entschädigen, welche den gebuchten Flug betreffen. Sie haben einen Flug gebucht, weshalb ich denke, dass Sie auch nur einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen (pro Person) geltend machen können.