Hallo,
ihre Frage dreht sich um den Fall eine kurzfristige Verspätung, die allerdings dazu geführt hat, dass Sie den Anschlussflug nicht rechtzeitig erreichen können.
Wenn es darum geht Ausgleichszahlungen gem. Art. 7 der EG-VO 261/2004 geltend zu machen, so berufen sich Airlines häufig auf das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, um sich von ihrer Zahlungspflicht zu befreien. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 5 III der europäischen Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004:
Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Welche genauen Begebenheiten man unter solchen außergewöhnlichen Umständen zählen kann, ist nicht abschließend geklärt. Aufschluss darüber kann aber eventuell Erwägungsgrund 14 der Verordnung geben:
Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
Zwar beschreibt die Verordnung, dass Flugsicherheitsmängel tatsächlich einen solchen Umstand begründen können, jedoch sind diese ja nicht gleich mit einem technischen Defekt gleichgestellt. Deshalb muss diesbezüglich wohl auf die Meinung der Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Der EuGH (Urteil vom 22.12.2008, Az. C-549/07) stellte klar, dass technische Defekte in der Regel in die betriebliche Verantwortungssphäre des jeweiligen Luftfahrtunternehmens fallen. Auch wenn mit dem jeweiligen Defekt in diesem Moment nicht gerechnet werden kann, so kann sich das jeweilige Luftfahrtunternehmen auch nicht damit entschuldigen, dass die vorgeschriebenen Wartungs- und Reparaturarbeiten immer ordnungsgemäß durchgeführt zu wurden. Dies kann auch nicht damit begründen werden, dass der jeweilige Defekt nur besonders selten auftritt, denn die Airline hat trotzdem stets für einsatzbereite Flugzeuge zu sorgen (Vgl. (LG Darmstadt, Urteil vom 16.06.2010, Az. 7 S 200/08)
Nun zu einer kleinen Aufzählung von technischen Defekten, die nicht als außergewöhnlicher Umstand gewertet wurden.
- technischer Defekt am Kurzwellenfunkgerät (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.04.2013 – 3 C 3319/12 (36))
- verstopfter Kerosinfilter (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.04.2013, 3 C 2265/12 (39))
- defekte Türelektronik (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 08.11.2006, 3 C 821/06 (31))
- Defekt an der Hydraulik (vgl. AG Wedding, Urt. v. 24.05.2007, Az.: 22a C 38/07)
- Ausfall der Stromversorgung (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 16.02.2007, 30 C 1701/06 (47))
In anderen Fällen wurde jedoch tatsächlich von einem außergewöhnlichen Umstand bei einem technischen Fehler ausgegangen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein bestimmter Flugzeugtyp bereits „serienmäßig“ fehlerhaft produziert wurde, der Fehler also bereits bei Auslieferung des fertigen Flugzeuges vorlag. Es reicht jedoch nicht aus, wenn lediglich ein Flugzeug aus der Baureihe fehlerhaft geliefert wird, weil dies ein Risiko ist, das vom Flugunternehmen getragen werden muss. Möchte sich eine Fluggesellschaft also auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, so muss diese auch substantiiert darlegen, aus welchen Gründen der technische Defekt unvorhersehbar gewesen sein soll und ebenso wie der Defekt entstanden ist und welche Maßnahmen getroffen wurden, um dem Fehler entgegen zu wirken und eine jeweilige Verspätung so gering wie möglich zu halten
In folgenden Fällen wurde von einem außergewöhnlichen umstand ausgegangen:
- Aus Vogelschlag resultierender technischer Fehler (vgl. BGH, Urt. v. 24.09.2013, X ZR 160/12)
- Fehlermeldungen aufgrund einer Biene im Staurohr (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 27.09.2013, 36 C 6837/13)
- Triebwerkschaden (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.10.2013, 30 C 1848/12 (47))
- Radarausfall (vgl. AG Erding, Urt. v. 18.04.2011, 2 C 1053/11)
Insofern ist es wohl immer eine Sache des Einzelfalls, ob tatsächlich ein außergewöhnlicher Umstand vorlag. Hinsichtlich der Beweislast ist noch zu sagen, dass die Airline diese auch trägt.
Jedenfalls sollte Sie dies nicht davon abschrecken für die möglichen Rechte einzustehen.