Hallo Tami,
bei deinem Flug von San Francisco nach Bremen über Paris 2012 kam es leider zu der Problematik, dass der Flug nicht pünktlich startete und du über einen Tag am Flughafen warten musstest. Letztendlich kamst du auch 24 h später zu Hause an. Daher möchtest du dich gern darüber informieren, ob du irgendwelche Rechte hast und wenn ja eventuell wo einklagen könntest.
Der Anwendungsbereich der europäischen Fluggastrechte-VO sollte gem. Art. 3 I b erstmal eröffnet sein, da der erste Teilflug ja auch mit Air France ausgeführt wurde.
Bei solchen großen Verspätungen stehen Fluggästen spätestens dann Rechte aus der Verordnung zu, wenn Fluggäste mit einer Verspätung von mind. 3 Stunden an ihrem letztendlichen Zielort ankommen.
LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013 – Az.: 2-24 S 47/12 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Es ist davon auszugehen, dass ein verpasster Anschlussflug und eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslöst – auch dann, wenn der Umsteigeflughafen außerhalb der EU liegt oder die Zubringer- und Anschlussflug von verschiedenen Fluggesellschaften durchgeführt wurden.
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (einfach zu finden bei Google unter „ reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Demnach könnten Ansprüche aus Art. 7 der VO in Betracht kommen, welches Ausgleichszahlungen in Höhe von 600 Euro beinhalten würde. Ausnahmsweise müssen diese Zahlungen dann nicht geleistet werden, wenn außergewöhnliche Umstände die Verspätung verursacht haben und das Luftfahrtunternehmen auch alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um den Umstand einzudämmen.
Solche können laut Erwägungsgrund 14 der Verordnung insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
Jedenfalls sollten Ihnen ebenfalls Möglichkeiten des Art. 9 zustehen, welcher verschiedene Betreuungsleistungen vorsieht:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:
a) Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
b) Hotelunterbringung, falls
— ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
— ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,
c) Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).
(2) Außerdem wird den Fluggästen angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Tele- faxe oder E-Mails zu versenden.
(3) Bei der Anwendung dieses Artikels hat das ausführende Luftfahrtunternehmen besonders auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen sowie auf die Bedürfnisse von Kindern ohne Begleitung zu achten.
Besonders, dass Ihnen für die Nacht keine Unterkunft gestellt wurde, empfinde auch ich als untragbar.
Daher stellt sich nun die Frage nach der Klagemöglichkeit. Jedenfalls ist der Gerichtsstand ist durch die Verordnung nicht geklärt. Problematisch könnte insbesondere sein, dass es sich um mehrere zusammengesetzte Teilstrecken handelt. Allerdings sollte eine durch den Fluggast nicht zu beeinflussende Zwischenlandung für die Bestimmung des Bestimmungs- bzw. des Erfüllungsortes nicht maßgeblich sein, vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.2011, 30 C 4007/10
Generell ergibt sich der Gerichtstand aus der Basis der nationalen Bestimmungen. Daher ist der Erfüllungsort für die Erbringung der Beförderungsleistungen zu ermitteln, vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 30.07.2012, 11 AR 142/12. Der Erfüllungsort ist dann der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs. Damit ist der Ort gemeint, an dem die Reise begann bzw. beginnen sollte, vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 – X ZR 71/10.
Auch der EuGH ist der Auffassung, dass betroffenen Fluggästen die Gerichte des Abflugsortes und des Ankunftsortes zur Verfügung stehen, vgl. EuGH, Urt. v. 09.07.2009 – C-202/08. Ebenso entschied das AG Nürnberg, dass für Klagen nicht ausschließlich das Gericht am Sitz der beklagten liegt, sondern auch am Start und Ziel, vgl. AG Nürnberg, Urteil vom 20.10.2015, Az.: 22 C 1502/15.
Daher sollten Sie wohl auch in Bremen Klage einreichen können.
Nicht unbeachtlich sind allerdings auch die Fristen. Dahingehend ist wieder keine Regelung in der Verordnung zu finden und auf das nationale Recht zu verweisen. Daher gilt gem. §195 die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Daher hat diese auch Ende 2012 begonnen. Insofern ist es wahrscheinlich so, dass die Ansprüche schon verjährt sind.