Hallo,
Sie waren ebenfalls von der Massenerkrankung damals bei TuiFly betroffen. Auch ihr Flug wurde demnach annulliert. Sie möchten gern wissen, ob Sie einen Anspruch auf Entschädigung haben.
Fluggäste, die von einer Annullierung betroffen waren, haben in der Regel einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen aus Art. 5 in Verbindung mit Art. 7 der Fluggastrechteverordnung und zwar in folgender Höhe je nach Strecke.
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 III der Verordnung vorlagen. In Erwägungsgrund Nr. 14 wird erwähnt, welche Gegebenheiten zu solchen außergewöhnlichen Umständen zählen. Hierhin wird auch der Streik aufgezählt.
Nun ist ja schon länger bekannt, dass es sich bei der massenhaften Erkrankungswelle vermutlich um einen wilden Streik gehandelt hat. Daher ist es sehr fraglich, wie die Situation rechtlich zu bewerten ist. Hierfür einige Urteile aus Instanzgerichten:
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2017, Az.: 29 C 3361/16 (40)
Meldet sich ein erheblicher Teil des Flugpersonals krank, stellt dies unabhängig davon, ob dies als "Wilder Streik" oder tatsächliche Fluguntauglichkeit zu bewerten ist, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung dar. Ist ein Fluggast davon in Form einer Flugannullierung betroffen, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO.
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.03.2017, Az.: 31 C 117/17 (16)
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund massenhafter angeblicher Krankmeldungen des Flugpersonals, so kann sich die Airline nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.
AG Brühl, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 C 480/16
Ein außergewöhnlicher Umstand gem. Art. 5 III der VO liegt selbst bei massenhaften unberechtigten Krankmeldungen von Mitarbeitern nicht vor. Ein solcher "Wilder Streik" ist nicht vergleichbar mit einem regulären, von einer Gewerkschaft organisierten Streik. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Bühl hervor.
AG Hannover, Urt. v. 03.05.2017, Az.: 425 C 1171/17
Kommt es zu einem wilden Streik des Personals eines Luftfahrtunternehmens, so kann dieses sich nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (VO) stützen. Einem betroffenen Fluggast steht daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 VO zu.
Die Meinungen sind allerdings nicht immer ganz eindeutig. Deshalb wurde diesen Frage nun dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt:
1. Stellt die Abwesenheit eines erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund von Krankmeldungen einen außergewöhnlichen Umstand gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 dar? Falls Frage 1 bejaht werden sollte: Wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?
2. Falls Frage 1 verneint werden sollte: Stellt die Abwesenheit eines erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund einer tariflich nicht legitimierten Arbeitsniederlegung („wilder Streik“) einen außergewöhnlichen Umstand dar? Falls Frage 2 bejaht werden sollte: Wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?
3. Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollten: Muss der außergewöhnliche Umstand beim annullierten Flug selbst vorgelegen haben oder ist das ausführende Luftfahrtunternehmen berechtigt, aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen einen neuen Flugplan aufzustellen?
4. Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollten: Kommt es bei der Vermeidbarkeit auf den außergewöhnlichen Umstand oder aber die Folgen des Eintritts des außergewöhnlichen Umstands an?
Das Urteil wird mit großer Spannung erwartet. Ich denke es wird in den nächsten Monaten soweit sein.