Hallo Martin, Anika und Theresa,
Die enorme Verspätung von 17 Stunden auf eurem Rückflug ist wirklich sehr ärgerlich. Das alles geschah nur, weil auf dem Vorflug ein randalierender Passagier an Bord war, weshalb eine außerplanmäßige Zwischenlandung erfolgen musste. Nun fragt ihr euch, ob ihr einen Anspruch auf Ausgleichszahlung habt oder nicht.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass den Reisenden ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zusteht, wenn ihr Flug Verspätung hat. Hier ist Artikel 5 der Europäischen Fluggastrechteverordnung einschlägig. Dieser Artikel spricht zwar von einer Annullierung, allerdings hat der EuGH entschieden (Entscheidung vom 19. 11. 2009, Az. C-402/07), dass ein Zeitverlust von mehr als 3 Stunden einer Annullierung gleichzusetzen ist.
In Artikel 5 der Verordnung heißt es:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt,
(…)
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Grundsätzlich stünde euch also eine Ausgleichszahlung zu. Allerdings beschreibst Absatz 3, dass eine Fluggesellschaft nicht leisten muss, wenn sie sich auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann.
Ein außergewöhnlicher Umstand ist ein Ereignis, das nicht von der Fluggesellschaft beeinflusst oder beherrscht werden kann. Die genaue Definition findest du hier.
Das eigenverantwortliche Handeln eines Dritten, hier eines randalierenden Passagiers, das die Zwischenlandung und somit die Untersuchung bzw. Überschreitung zur Dienstzeit zur Folge hatte, stellt anerkanntermaßen einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dar.
Ich habe zwei Urteile gefunden, die jeweils einen randalierenden Passagier als außergewöhnlichen Umstand betrachten. Beide Urteile sind auf reise-recht-wiki.de zu finden, indem die Nummernfolge hinter „Az.“ Und der Zusatz „reise-recht-wiki.de“ auf Google eingegeben wird:
AG Frankfurt, Urt. v. 19.06.2015, Az: 32 C 4265/14
Ein randalierender Passagier in einem Flugzeug stellt einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 der FluggastrechteVO dar, welcher für ein Luftfahrtunternehmen nicht kontrollierbar ist und somit zu keiner Ausgleichszahlung wegen Verspätung führt.
AG Rüsselsheim, Urt. v. 08.02.2017, Az: 3 C 742/16 (36)
Kommt es zu einer großen Flugverspätung, weil der Flugkapitän des Fluges zu einer außerplanmäßigen Zwischenlandung deshalb gezwungen ist, weil eine Flugpassagierin massiv begann zu randalieren, so geht die große Verspätung auf „außergewöhnliche Umstände“ i.S.d. Art. 5 Nr. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 zurück, so dass anderen betroffenen Passagieren keine Ausgleichsleistungsansprüche zustehen.
Ich muss euch also leider sagen, dass ihr, meiner Auffassung nach, keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung habt.
Dennoch rate ich euch, einen Anwalt zu Hilfe zu holen, weil es sich beim Flugrecht um ein sehr komplexes Thema handelt, in dem jeder Einzelfall eine besondere Beachtung benötigt.