Sie haben einen Flug über ein Reisebüro gebucht. Nun wurde dieser Flug von der Fluggesellschaft storniert. Sie fragen nun, ob Sie einen Anspruch auf die Rückerstattung des gesamten Flugpreises haben oder ob sie 50 EUR für Gebühren und Steuern einbehalten dürfen. Der Anspruch auf die Erstattung der Kosten könnte sich aus der europäischen Fluggastrechteverordnung ergeben.
Nach Art. 5 VO Nr. 261/2004 stehen dem Fluggast bei einer Annullierung unterschiedliche Rechte zu. Die Möglichkeit der Erstattung der Flugscheinkosten regelt Art. 8 VO Nr. 261/2004.
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Sie haben also einen Anspruch auf Erstattung der Fluggscheinkosten. Fraglich ist jedoch, ob die Fluggesellschaft Ihnen auch die 50 EUR für die Steuern und Buchungsgebühren zurückgewähren muss.
Dazu hat der EuGH am 12.09.2018 (Az.: C-601/17) folgendes entschieden:
Im Fall der Annullierung eines Fluges muss die Fluggesellschaft grundsätzlich auch Provisionen erstatten, die Vermittlungsunternehmen beim Kauf der Flugtickets erhalten haben, es sei denn, sie hatte davon keine Kenntnis.
Airline verweigert nach Flugannullierung Erstattung der Provision
Ein Familienvater erwarb für sich selbst und seine Familie auf der Website "opodo.de" Flugtickets für einen Flug mit Vueling Airlines von Hamburg nach Faro (Portugal). Nachdem der Flug annulliert worden war, verlangte die Familie von Vueling Airlines die Erstattung des beim Kauf der Flugtickets an Opodo gezahlten Preises von 1.108,88 Euro. Die Airline war bereit, den Betrag zu erstatten, den sie von Opodo erhalten hatte (1.031,88 Euro). Sie lehnte es aber ab, auch den Restbetrag von 77 Euro zu erstatten, den Opodo als Provision erhalten hatte.
AG Hamburg rief EuGH an
Das mit dem Rechtsstreit befasste Amtsgericht Hamburg bat den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren um Auslegung der Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG. Es wollte wissen, ob der Preis des Flugtickets, der zur Ermittlung des einem Fluggast vom Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges geschuldeten Erstattungsbetrags heranzuziehen ist, die Differenz zwischen dem vom Fluggast gezahlten und dem vom Luftfahrtunternehmen erhaltenen Betrag in Höhe der Provision eines als Vermittler zwischen ihnen tätig gewordenen Unternehmens einschließt.
EuGH: Auch Provision grundsätzlich zu erstatten
Der EuGH hat die Vorlagefrage bejaht, sofern die Provision nicht ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt worden sei. Dies zu prüfen sei Sache des nationalen Gerichts. Diese Auslegung der Fluggastrechteverordnung entspreche den mit ihr verfolgten Zielen, ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste zu gewährleisten und dabei einen Ausgleich zwischen ihren Interessen und denen der Luftfahrtunternehmen vorzunehmen.
Sie haben also grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der gesamten Kosten. Das gilt nur dann nicht, wenn die Fluggesellschaft nicht gewusst hat, dass das Reisebüro eine Gebühr erhält.
Da der Fall jedoch relativ kompliziert ist, sollten Sie darüber nachdenken, einen Anwalt für Reiserecht einzuschalten.