Sie haben zwei Gabelflüge bei Lufthansa gebucht. Einen von Leipzig über München nach New York und über Frankfurt zurück Leipzig gebucht. Den anderen von Leipzig über Frankfurt nach Los Angeles und über München zurück nach Leipzig. Nun sollen Sie die Strecke von Frankfurt nach Leipzig mit dem Zug wahrnehmen und fragen sich, ob es eine Möglichkeit gibt, die Rückerstattung für beide Flüge zu verlangen.
Anspruchsgrundlage ist die Europäischen Fluggastrechte Verordnung. Der Anspruch auf Erstattung aus der VO Nr 261/2004 kommen dann in Betracht, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
In Ihrem Fall soll ein Flugabschnitt nicht mehr mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, sondern mit dem Zug. Der Flug findet also nicht mehr statt. Es ist daher von einer Annullierung der Flugstrecke Leipzig-Frankfurt auszugehen. Wenn Sie den Flug als einheitlichen Flug gebucht haben, gehe ich davon aus, dass auch eine Annullierung des gesamten Fluges von Leipzig nach Los Angeles anzunehmen ist.
Ansprüche ergeben sich dann aus Artikel 5 EU-VO:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet
Sie könnten also zunächst einmal einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Artikel 7 EU-VO haben. Dieser Anspruch auf Ausgleichszahlungen entfällt gemäß Artikel 5 Absatz 1 c) i), wenn Sie über die Verschiebung der Flugzeiten mehr als 2 Wochen im Voraus unterrichtet werden.
Allerdings haben Sie in jedem Fall einen Anspruch auf die Betreuungsleistungen aus Artikel 8 VO Nr. 261/2004:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Sie haben gem. Art. 8 Abs. 1a) also einen Anspruch auf eine vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde.
In Art. 7 Abs. 3 steht folgendes geschrieben:
(3) Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.
Sie haben also grundsätzlich einen Anspruch auf eine Erstattung in Geld. Einen Reisegutschein darf die Fluggesellschaft Ihnen nur dann geben, wenn Sie zustimmen.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Möglichkeit einer Rückerstattung nur für den Flug in Betracht kommt, der auch betroffen ist. Das bedeutet, dass die Ansprüche aus der VO Nr. 261/2004 nur für den Flug geltend gemacht werden können, bei dem es zu einer Annullierung gekommen ist, also der Flug von Leipzig über Frankfurt nach Los Angeles, da ja Ihren Angaben zu Folge nur die Strecke von Leipzig nach Frankfurt betroffen ist.
Auch für den Rückflug kommen die Ansprüche aus der VO grundsätzlich leider nicht zu tragen, denn Hin- und Rückflug werden nach allgemeiner Rechtsprechung getrennt voneinander beurteilt. Dazu folgende Urteile:
EuGH, Urt. v. 10.07.2008, Az: C‑173/07 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: C‑173/07 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass eine Hin- und Rückreise nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden können.
AG München, Urt. v. 10.11.2016, Az: 261 C 13238/16 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 261 C 13238/16 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Der Begriff des Fluges i.S.d. Fluggastrechte-VO (EG) Nr. 261/2004 meint Hin- und Rückflug jeweils getrennt voneinander. Auch wenn alle Flüge von der gleichen Fluggesellschaft durchgeführt und gemeinsam gebucht werden.
Grundsätzlich könnten Sie daher nur die Rückerstattung für den Hinflug fordern, da es ja nur auf diesem zu einer Annullierung gekommen ist.
Auf der anderen Seite hat die EU-Kommission in den Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Situation im Zusammenhang mit Covid-19 vom 18.03.2020 darauf hingewiesen, dass Fluggästen die Stornierung der Gesamtbuchung (also Hin- und Rückflug) ermöglicht werden soll, wenn z.B. nur der Hinflug annulliert wurde. Die Auslegungsleitlinien sind jedoch für Staaten und Gerichte nicht verbindlich, die Gerichte dürfen weiterhin ihre eigene Ansicht vertreten.
Am besten lassen Sie sich von einem Anwalt für Flugrecht verbindlich beraten, da die aktuelle Situation rund um Flugannullierungen und Stornierungen nicht einfach ist.