Sehr geehrter Fragesteller,
um Ihre Frage zu beantworten, gehe ich auf folgende Aspekte ein: (1) Ihr Recht auf Ausgleichszahlung, (2) Ihr Recht auf Flugpreiserstattung, (3) Zusammenwirken beider Rechte , (4) weitergehender Schadensersatz.
Bitte betrachten Sie diese Antwort als eine Meinungsäußerung, die auch falsch oder nicht vollständig sein kann, eine genaue Beurteilung kann Ihnen am besten ein Rechtsanwalt geben.
(1) Ausgleichszahlung
Das Recht eines Fluggastes auf eine Ausgleichszahlung bei einer Flugverspätung leitet sich aus dem Artikel 6 der Verordnung (EG) 261/2004. In folgenden Fällen ist eine Ausgleichszahlung vorgesehen:
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250 Euro bei weniger als 1.500 Kilometern und Verspätung von 2 oder mehr Stunden
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400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern, Verspätung von 3 oder mehr Stunden
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600 Euro bei mehr als 3.500 Kilometern, 4 oder mehr Stunden
Die Höhe der Ihnen möglicherweise zustehenden Ausgleichszahlung hängt auch davon ab, ob Ihnen eine Ersatzbeförderung angeboten wurde. Wenn der Ersatzflug mit einer Verspätung von weniger als 2, bzw. 3 bzw. 4 Stunden als ursprünglich geplant am Zielort ankommt, dann kann die Fluggesellschaft die Ausgleichszahlung halbieren.
Darüber hinaus kann das Luftfahrtunternehmen die Zahlung verweigern, wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war, die die Fluggesellschaft nicht zu vertreten hatte und welche sich auch beim Ergreifen aller ihr zur Verfügung stehender Maßnahmen nicht hätten vermeiden lassen. Zu solchen Umständen zählen beispielsweise Naturkatastrophen, Terroranschläge, extreme Wetterbedingungen u. Ä. Keine außergewöhnlichen Umstände sind in aller Regel technische Defekte am Flugzeug. Nur in äußerst seltenen Fällen kann ein technischer Defekt von der Ausgleichszahlungspflicht befreien.
Das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes allein entscheidet also nicht endgültig über die Pflicht zur Ausgleichszahlung. Die Fluggesellschaft muss dennoch dafür sorgen, dass der Fluggast pünktlich oder mit einer möglichst geringeren Verspätung am Ziel ankommt oder darlegen, warum keine Maßnahmen zur Vermeidung möglich waren.
(2) Anspruch auf Erstattung
§ 8, Abs. 1, lit. a) sagt:
„[…]so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
- einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.“
Aus Ihrer Beschreibung ist zu entnehmen, dass die Fluggesellschaft die Rückzahlung des Preises sowieso nicht bestreitet.
(3) Zusammenwirken beider Rechte
Ich muss gestehen, ich habe im Internet recherchiert und keine eindeutige Antwort darauf gefunden, ob die Ticketpreisrückzahlung und eine Ausgleichszahlung gleichzeitig nicht möglich sind. Im Gesetz ist es nicht ersichtlich, dass die beiden Optionen sich gegenseitig ausschließen. Auf der Seite passagierrechte.org sind die Rechte bei Verspätung des Fluges auch sehr gut erklärt (obwohl ich glaube, dass die Informationen auch ein bisschen veraltet sind, da heute auch bei „bloßen“ Verspätungen Ausgleichszahlungen zustehen).
„Bei einer Abflugverspätung von mehr als 5 Stunden muss dem Fluggast zudem entweder die vollständige Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen sowohl für noch anzutrende [sic!] als auch für schon zurückgelegte, aber zwecklos gewordene Flüge, sowie ein Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt angeboten werden.“
Das Wort „zudem“ lässt darauf schließen, dass sowohl Rückzahlung des Ticketpreises, als auch Ausgleichszahlung möglich sind. Dafür spricht auch die Logik, dass Sie ja erst mehrere Stunden auf dem Flughafen verbringen und gewartet haben, ob der Flug nicht doch noch startet, und das sollte entschädigt werden.
(4) Erstattung weiterer Kosten.
Ob Ihnen die Erstattung weiterer Kosten zusteht, ist fraglich. Zwar sind Fluggesellschaften verpflichtet, ab einer bestimmten Dauer der Verspätung Unterstützungsleistungen in Form von Verpflegung und Erfrischung, Hotelübernachtungen und damit verbundenen Fahrtkosten, zwei kostenlose Telefonate oder Emails oder Faxe. Entweder bietet Ihnen die Fluggesellschaft das an, oder sie muss die Kosten dafür im Nachhinein erstatten. Der Gedanke dahinter ist es, Ihnen die Aufwendungen zu erstatten, die Sie nicht tragen müssten, wäre der Flieger pünktlich gestartet. Die Kosten für Hotel und Fahrttickets in London hätten Sie auch dann zahlen müssen, wenn Sie selbst entschieden hätten, nicht zu fliegen (aus persönlichen Gründen zum Beispiel). Dagegen spricht jedoch, dass Sie sonst auch die Leistung in Anspruch genommen hätten, die Sie damit gekauft haben, wenn der Flieger sich nicht verspäten würde. Andere Ansicht wäre, dass solche Fälle von einer Ausgleichszahlung bereits gedeckt wären.
Wie gesagt, das ist alles nur meine Meinung und in den Punkten (3) und (4) bin ich selbst nicht sicher, ob das stimmt, was ich mir so denke.
Mich würde interessieren, was andere Forummitglieder dazu meinen.